Sind alte Autofahrer gefährlich oder gefährdet? Sinn und Unsinn obligatorischer Fahreignungsuntersuchungen für ältere Autofahrer
Dirk Wolter,
Psykiatrien i Region Syddanmark,
Gerontopsykiatrisk Afdeling,
Aabenraa, Dänemark
Im Zuge der demographischen Entwicklung
werden immer mehr alte und auch hochbetagte Menschen aktive Autofahrer sein,
der Anteil der über 80-jährigen Führerscheinbesitzer wird
für das Jahr 2025 auf mehr als 80 % der Frauen und über 90 % der
Männer prognostiziert. Vor diesem Hintergrund wird immer wieder die
Frage der Fahreignung älterer Autofahrer aufgeworfen. Sicherheitsaspekte
stehen hierbei der Forderung nach Mobilität und Teilhabe am öffentlichen
Leben gegenüber.
In vielen Ländern müssen ältere Autofahrer ihre Fahreignung überprüfen
lassen. Der Nutzen dieser obligatorischen Fahrtauglichkeitsuntersuchungen wird
allerdings kontrovers diskutiert. Obwohl viele Menschen solche Pflichtuntersuchungen
intuitiv für sinnvoll halten, konnte bisher nicht nachgewiesen werden,
dass sie sich positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken, es gibt im Gegenteil
sogar Hinweise auf negative Auswirkungen.
Der Vortrag erläutert, warum obligatorische Fahrtauglichkeitsuntersuchungen
für ältere Autofahrer die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen
(und wohl auch gar nicht erfüllen können).
Die Unfallstatistiken zeigen, dass das Aufgeben des Autofahrens aus eigener
Verantwortung („self-regulation“) bisher ausreichend funktioniert.
Wichtiger als die Einführung obligatorischer Fahrtauglichkeitsuntersuchungen
sind die Stärkung dieser Eigenverantwortung sowie die Anpassung von Verkehrsumwelt
und Fahrzeugen an die Bedürfnisse und Ressourcen älterer Menschen.
Wichtiger ist aber auch, dass Polizei und Fahrerlaubnisbehörden rascher
und effizienter reagieren, wenn Unfälle o. ä. Zweifel an der Fahreignung älterer
Autofahrer begründen.
Dann sind anlassbezogene Abklärungen der Fahreignung wichtig und notwendig.
Hierzu muss den (Haus-) Ärzten ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung
stehen.
Literatur:
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