Entlastung und Entwicklung bei Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen durch Musiktherapie

Inga Auch-Johannes,
Musiktherapeutin Master of Arts (music therapy), pflegen & wohnen, spezielle Dementenstation, Hamburg

1. Zielsetzung/Fragestellung
Menschen mit (fortgeschrittener) Demenz zeigen häufig herausforderndes Verhalten und reagieren auf Kontaktangebote oft in wenigen, eingefahrenen Beziehungsmustern.
Wie kann mit musiktherapeutischen Interventionen Beziehungsqualität bei Menschen mit Demenz entwickelt werden? Wie können psychopathologische Symptome wie Affektlabilität, Aggression, Apathie etc. verringert und die Lebensqualität dieser Personengruppe gesteigert werden?
Auch pflegende Angehörige sind physisch und psychisch extrem belastet (care giver burden) Wie können sie in einer Angehörigengruppe mit nonverbalem Kommunikationstraining zu einer positiveren Sichtweise auf den Erkrankten gelangen und dabei ihre affektive Befindlichkeit verbessern?
2. Materialien/Methoden
Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt „Klangbrücken“ (Praxisforschungsprojekt 2008-2010 am Masterstudiengang der Fachhochschule Frankfurt Main und dem Universitätsklinikum Frankfurt am Main): Ausgewählte Szenen aus Videoanalysen einzelmusiktherapeutischer Behandlungen von einem Jahr Dauer in der häuslichen Versorgung.
Ergebnisse aus Interviewanalysen mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen mit der häuslichen Musiktherapie und in der Angehörigengruppe. In der Angehörigengruppe wurde neben einem Gesprächsteil ein Musikteil angeleitet, in dem persönliche Erfahrungen mit der musikalischen Improvisation gemacht wurden.
3. Ergebnisse
Musiktherapeutische Behandlung erweist sich als hilfreiches Kommunikationsmittel in der Gerontopsychiatrie (hier: Demenz). Die PatientInnen zeigten sich zufriedener und entlastet. Die positive Wirkung ist nach der Behandlung teilweise noch über den ganzen Tag anhaltend. Sie kann zu verbesserten Fähigkeiten beim Greifen, Schlucken oder Sprechen führen und kann Medikamentengaben zur Beruhigung reduzieren. Menschen mit Demenz können durch Musiktherapie festgefahrene Beziehungsmuster aufweichen und (wieder) andere beleben, was zu größeren Kontaktmöglichkeiten führt.
In einer Angehörigengruppe mit musiktherapeutischen Mitteln erfahren Angehörige neben Rat und Tipps u.a. Aufgehobensein, Vertrauen, Freude, Kreativität und Selbstausdruck und Selbstbewusstsein. Eine positivere Sichtweise mit manchmal völlig neu entdeckten Aspekten führen zu neuen, kreativen Umgehensweisen mit dem erkrankten Angehörigen. und damit zu größerer Entlastung. Ebenso wirken persönliches Wachstum und gefestigtes Selbstbewusstsein psychisch entlastend.
4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Musiktherapie kann bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz psychopathologische Symptome verringern, die Beziehungsfähigkeit entwickeln und zu mehr Lebensqualität führen.
Auch Nicht-MusiktherapeutInnen können z.B. in der Pflege angeleitet werden, ein musikalisches Klima zu schaffen und gezielt einzusetzen.
Pflegende Angehörige können eine positivere Sichtweise auf den Erkrankten erlangen und
psychische Entlastung sowie persönliches Wachstum erfahren.
Angehörigengruppen für (nicht pflegende) Angehörige sollen im Rahmen der niedrigschwelligen Leistungen in den Häusern eines Hamburger Pflegeanbieters eingerichtet werden.

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