Fahreignung älterer Autofahrer - Möglichkeiten und Grenzen der Kompensation
Michael Falkenstein,
Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo)
Melanie Karthaus,
Institut für Arbeiten, Lernen, Altern (ALA)
Mit zunehmendem Alter treten verschiedene
sensorische und kognitive Funktionsverminderungen auf, die für das Fahren
relevant sind. Neben eingeschränkten visuellen Funktionen, z.B. beim
peripheren Sehen, zeigen viele Ältere Einschränkungen bei fluiden
kognitiven Funktionen. Für den Fahrkontext bedeutsam sind hierbei vor
allem die gezielte Aufmerksamkeits-Steuerung und Suche, Abschirmung gegen
Ablenkung, Hemmung automatischer Reaktionstendenzen und Mehrfachtätigkeit.
Dennoch zeigen die meisten älteren Autofahrer in Standard-Fahrsituationen
keine besonderen Auffälligkeiten, was vermutlich auf den Einsatz von
Kompensationsstrategien zurückzuführen ist. Schwierigkeiten sind
vor allem in den Verkehrssituationen zu erwarten, in denen unter Zeitdruck
und oft unvorhersehbar, Entscheidungen gefällt werden müssen, wie
z. B. an komplexen Kreuzungen oder beim Linksabbiegen. Kompensationsprozesse
können zum einen auf der Makro-Ebene stattfinden, wie z.B. das Vermeiden
von Strecken mit kritischen Knotenpunkten oder das langsamere Fahren. Solche
Strategien sind jedoch nicht immer optimal, da sie die eigene Bewegungsfreiheit
einschränken bzw. andere Verkehrsteilnehmer irritieren können.
Auf der Mikro-Ebene lassen sich Kompensationsstrategien durch die Messung
von Hirnaktivität (Elektroenzephalogramm, EEG) sichtbar machen, was
bisher meist im Laborsetting oder im Fahrsimulator erfolgt, aber technisch
z.T. auch beim realen Fahren möglich ist. Zu diesen Kompensationsstrategien Älterer
auf der Mikro-Ebene gehört u.a. die höhere Aufmerksamkeit und stärkere
Vorbereitung auf relevante Reize. Gleichwohl zeigen Laboruntersuchungen und
Hirnstrom-Messungen, dass Ältere irrelevante Informationen nur unzureichend
unterdrücken können, obwohl sie verstärkte Anstrengungen zur
deren Hemmung unternehmen. Ablenkreize führen bei Älteren z.B.
dazu, dass sie verspätet oder gar nicht auf kurz darauf folgende wichtige
Reize reagieren. Es ist bisher unklar, inwieweit sich solche, nicht einfach
kompensierbaren, Funktionsdefizite durch ein Training im komplexen Realverkehr,
durch ein Simulatortraining oder durch ein spezifisches Funktionstraining
am PC abmildern lassen, so dass hier weiterer Forschungsbedarf besteht.