Humor als Heilfaktor bei der Behandlung alter Menschen mit Depression

Rolf D. Hirsch, Bonn

Vielfältig sind die heutigen Behandlungskonzeptionen für psychisch kranke alte Menschen. Kaum ein Konzept knüpft jedoch an dem gesunden Anteil des Kranken an, an seinen Kompetenzen und Ressourcen. Das Leid und die Scham alter Menschen, die unter Einbussen verschiedenster Art leiden, treibt sie in Einsamkeit, Verzweiflung und Depression. Die Möglichkeit, den Sinn für Humor im Rahmen einer multimodalen Behandlung systematisch bei diesen Patienten zu fördern, um besser mit alltäglichen Missgeschicken umgehen zu können, wird derzeit noch zu skeptisch gesehen. Der Einfluss der positiven Psychologie auf den Gesundungsprozess alter Menschen ist bisher, wenn überhaupt, nur ein Randthema in der Gerontopsychiatrie. Allerdings haben sich Psychotherapeuten schon seit langem mit dem Einfluss von Humor in der Therapie auseinandergesetzt (Titze & Eschenröder 2000). Zum Thema „Heiterkeit und Humor im Alter“ gibt es die Monographie von Hirsch et al. (2001) mit wissenschaftlichen und praxisorientierten Beträgen zu diesem Themenbereich. Besteht auch Konsens, dass eine Psychotherapie ohne Einbeziehung von Humor und dessen Förderung beschwerlich ist, so gibt es hierzu derzeit wenig wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse.

Empirische Untersuchungen, inwieweit Humor als Therapie genutzt werden kann, sind sehr spärlich. Untersuchungen mit alten Menschen im deutschsprachigen Raum gibt es –außer der erwähnten- nicht, in der internationalen Literatur nur ansatzweise. Es wurde daher, aufbauend auf einer Studie aus dem Jahr 2001 (Kranzhoff & Hirsch 2001) eine weitere differenziertere empirische Untersuchung durchgeführt, um Effekte einer „Humorgruppe“ mittels Skalen und Testverfahren zu messen. Unter Mitarbeit von K. Junglas, B. Konradt und M. F. Jonitz wurde die Untersuchung und die Gruppensitzungen (zweimal wöchentlich je 60 Minuten) durchgeführt. Einbezogen wurden gruppendynamische Aspekte, Musik, Tanz und Rollenspiel sowie clowneske Requisiten. Probanden waren Patienten einer gerontopsychiatrischen Abteilung mit einem depressiven Syndrom nach ICD-10. Verglichen wurden die Ergebnisse zwischen Experimentalgruppe (N= 52) und Kontrollgruppe (N= 38).

Durchgeführt wurde eine teilstrukturierte Humorgruppe als ein Baustein innerhalb eines Behandlungskonzeptes: Die Gruppensitzung beginnt meist mit Fragen nach der Befindlichkeit, einer gerade erlebten heiteren oder komischen Situation auf der Station. Manchmal begrüßen sich die Teilnehmer gegenseitig mit vielen Gesten oder loben sich gegenseitig („Hat Sie heute schon jemand gelobt?“, „Haben Sie heute schon jemand gelobt?“, „Dann machen wir das hier!“). Anschließend wird eine heitere (manchmal auch kritische) Situation, die geschildert worden war, oder heitere erlebte Geschichten von früher im Rollenspiel vorgeführt. Gefragt wurde dann nach Missgeschicken, beschämenden Erlebnissen u.a. Nach dem Erzählen werden diese häufig erst nachgespielt, manchmal dann noch übertrieben, provokativ oder absurd. Gezielt werden Alternativen erarbeitet und gespielt. Geübt wurde z.B. auch, wer am besten grübeln oder am lautesten jammern kann, wer sich am meisten krank fühlt u.a. Die Bewertungen (1-6) finden durch die Teilnehmer statt. Groteske Aufgaben werden verteilt wie z.B. „Was würden Sie tun, wenn Sie 1 Mio im Lotto gewinnen“, „wenn Sie noch einmal 14 Jahre alt wären“, oder „Wenn Sie ein Clown wären, wie würden Sie das machen“, „Wie bringen Sie andere zum Lachen?“, „Was würden Sie als Arzt vorschlagen“ usw. Alle vorgeschlagenen und durchgeführten Interventionen werden reflektiert. Beendet wird die Gruppensitzung häufig mit einer „Witzrunde“ (erzählt oder aus einem Witzbuch vorgelesen) und einer „Hausaufgabe“, die sich aus der Gruppensitzung ergibt (z.B. Anekdote, Witz zu einem bestimmten Thema beim nächsten Mal mitbringen, auf komische Situationen achten und aufschreiben).

Für die Untersuchung wurden zu zwei Messzeitpunkten (Prä- und Post-Therapie) Geriatri-sche Depressions-Skala, SF-12, Fragebogen zum Gesundheitszustand, State-Trait-Heiterkeits-Inventar in Kurzform, Satisfaction with Life Scale (SWLS), Resilienzskala in Kurzform, zwei Skalen des Beck Depressionsinventars (BDI-II) und Demtect. Zusätzlich wurden noch einige skalierte Fragen zur Gruppe und zum Humor gestellt.

Bereits für die Gesamtstichprobe konnten deutliche Veränderungen nur für die Teilnehmer der Humorgruppe beschrieben werden. Verbesserungen zeigten sich in steigender Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und Lebensqualität der Patienten. Eine genauere Untersuchung der Subgruppen mit mindestens mittelschwerer bis schwerer depressiver Symptomatik erwies noch deutlichere Effekte der Humortherapie. Bei diesen schwer depressiven Patienten verbesserten sich weitere depressionsrelevante Merkmale: Heiterkeit und Lebenszufriedenheit nehmen zu während die Zustandsvariablen Ernst und schlechte Laune abnahmen. Diese Veränderungen zeigten sich bei der Kontrollgruppe mit nur allgemeinen therapeutischen Maßnahmen nicht. Die Lebendigkeit, Fröhlichkeit und Ausgelassenheit während der Stunden kann kaum in Worte gefasst werden. Sie muss erlebt werden.

Gestützt auf unsere Untersuchungen (es folgte eine weitere mit ähnlicher Thematik), dem Verlauf der Gruppenstunden und den vielfältigen Erlebnissen bei und nach den Humor-gruppenstunden vertreten wir die Ansicht dass in jeder gerontopsychiatrisch/psychotherapeutischen Eirichtung eine Humorgruppe eingeführt werden sollte. Alte Menschen können ihren Sinn für Humor vermehren und ihn gesundheitsorientiert einsetzen und damit ihre Lebensqualität deutlich verbessern.


Literatur:

Hirsch, R.D., Bruder, J., Radebold, H. (Hg.): Heiterkeit und Humor im Alter. Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie, Band 2, Stuttgart: Kohlhammer-
Kranzhoff, E.U., Hirsch, R.D. (2001): Humor in der Gerontopsychiatrischen Klinik: Ergeb-nisse einer therapiebegleitenden Studie. In: Hirsch, R.D., Bruder, J., Radebold, H. (Hg.): Heiterkeit und Humor im Alter. Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsy-chiatrie und –psychotherapie, Band 2, Stuttgart: Kohlhammer, S. 139 -162.
Titze, M, Eschenröder, Chr. T. (2000): Therapeutischer Humor. Frankfurt a.M.: Fischer.

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