„Lohnt das noch?“ – Psychotherapie der Altersdepression
Claus Wächtler
Hamburg
Depressionen im Alter sind häufig. Sie schränken die Lebensfreude ein,
mindern die Selbständigkeit und sind lebensgefährlich durch Wechselwirkungen
mit körperlichen Erkrankungen und als Risikofaktor für Suizid. Noch
häufiger als bei Jüngeren werden Depressionen im Alter nicht erkannt
und unzureichend behandelt. Gerade die Depressionen Älterer sind durch drohende
oder eingetretene psychosoziale Belastungen ausgelöst. Dennoch findet Psychotherapie
bei Älteren mit Depression fast nicht statt. Dabei weisen klinische Erfahrung,
Einzelfallberichte und (wenige) kontrollierte Studien darauf hin, dass Psychotherapie
im Alter und speziell bei Depressionen möglich und erfolgreich ist – zumindest
bis zum Alter von 75 Jahren. Psychotherapie im Alter bedarf spezieller Erfahrung,
insbesondere was die Beziehungsgestaltung des jüngeren Therapeuten zum älteren
Patienten betrifft. Besonders in der Psychotherapie mit älteren Patienten
haben sich empathisch-wertschätzende Grundhaltung (bedeutsam gerade für
den an seinem Selbstwert zweifelnden, hoffnungslosen depressiven Patienten, das
Interesse an biographisch-historischen Ereignissen (Kriegserlebnisse), „Containerfunktion“ und
Fokussierung sowie die Kooperation mit einem somatisch erfahrenen Kollegen bewährt.
Die Psychotherapie im Alter sollte noch mehr erforscht und gelehrt werden. Darüber
hinaus ist zu hoffen, dass immer mehr Psychotherapeuten auch älteren Menschen
mit Depression eine Behandlung anbieten und dass ältere Patienten in grösserem
Umfang als bisher dieses Angebot suchen und annehmen.