Neurochemische Biomarker zur Demenzfrüherkennung

Jens Wiltfang
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, LVR-Klinikum Essen, Kliniken/ Institut der Universität Duisburg-Essen


I. Die Entwicklung erster kausal orientierter Therapieansätze (u.a. aktive/passive Aß-Immunisierung, beta/gamma-Sekretasehemmstoffe) für die Demenz vom Alzheimer Typ (DAT) unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen und exakten Positivdiagnostik. Da die zugrunde liegende Alzheimer Krankheit der klinischen Manifestation dementieller Symptome um Jahre vorausgeht sind kausale Therapieansätze in der präklinischen Phase der Erkrankung besonders viel versprechend.

II. Die krankheitsspezifischen Erhöhungen von Tau und seinen phosphorylierten Formen (p-tau) sowie erniedrigte Aß1-42 Konzentration im Liquor bei DAT wurden bereits in zahlreichen unabhängigen Studien bei insgesamt mehreren tausend Patienten repliziert und erreichten Sensitivitäten und Spezifitäten von 80%-90%.

III./IV. Kürzlich wurden die Liquorkonzentrationen dieser Biomarker als supportives Merkmal in die revidierten klinischen Kriterien für die DAT aufgenommen. Die Neurochemische Demenzdiagnostik (NDD) zeigte inzwischen auch einen prädiktiven Wert für die Diagnose einer DAT im Stadium der Leichten Kognitiven Störung (Mild Cognitive Impairment, MCI). Durch Bestimmung der Biomarker p-tau und Aß1-42 konnte die Entwicklung einer DAT bei MCI-Patienten mit hoher Sensitivität (95%) und Spezifität (87%) bereits 4-6 Jahre vor Beginn der Demenz angezeigt werden. Ebenso konnten wir in einer eigenen Studie zeigen, dass die optimalen cut-off Werte dieser Biomarker für die Diagnose einer beginnenden DAT und einer MCI mit DAT-typischen Befunden in der klinischen, neuropsychologischen und neuroradiologischen Untersuchung identisch sind. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die typischen Biomarkerkonstellationen für eine DAT bereits weit vor dem klinischen Beginn der Demenz vorliegen und damit eine präklinische Diagnose unterstützen können.
Im Sinne einer exakten Differenzialdiagnose der Frühstadien anderer Demenzen notwendig konnten wir durch den Einsatz eines speziellen gelelektrophoretischen Verfahrens (Aß-SDS-PAGE/Immunoblot) kürzlich jeweils krankheitsspezifische Muster der A? Peptide im Liquor für die drei häufigsten neurodegenerativen Demenzen (DAT, Demenz mit Lewy-Körperchen (DLK) und Frontotemporale Demenz (FTD)) zeigen. Dabei waren selektive Erniedrigungen von Aß1-42 bei AD und Aß1-38 bei FTD sowie eine Erhöhung von oxidiertem Aß1-40 bei DLK im Liquor die herausragenden Merkmale. Eine erste Validierung dieser potentiellen Biomarker an Liquorproben von über 300 Patienten, darunter DAT (n=71), FTD (n=36) und DLK (n=32) zeigte für Aß1-38% und Aß1-42% diagnostische Sensitivitäten und Spezifitäten von über 85%. Durch die Erhöhung von Aß1-40ox% bei DLK konnte eine diagnostische Sensitivität von 88% bei einer Spezifität von 73% erreicht werden.

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