Trauer während der COVID 19-Pandemie bei Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen – Eine längsschnittliche Vergleichsstudie
Svenja Palm1, Bettina K. Doering2, Thomas Kubiak3, Katharina Geschke1,4, Andreas Fellgiebel1,4,5, Alexandra Wuttke1
1Zentrum für psychische Gesundheit im Alter, Mainz
2Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane
3Abteilung Gesundheitspsychologie, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
4Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
5Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Agaplesion
Darmstadt
1. Fragestellung
Ein Großteil der Pflege wird von Angehörigen übernommen. Der Tod der pflegebedürftigen Person könnte Angehörige aufgrund der bereits beeinträchtigten Widerstandsfähigkeit besonders herausfordern („Wear and tear“-Hypothese). Andere Theorien gehen von einer schnelleren Trauerbewältigung aufgrund des erwarteten Verlusts (antizipatorische Trauer), oder dem Wegfall zusätzlicher Alltagsbelastung aus (Stressreduktionshypothese). Anhand einer Befragung zu Trauer während der COVID 19-Pandemie untersuchen wir den Einfluss einer vorherigen Pflege der Verstorbenen auf Trauerprozesse.
2. Methode
Es erfolgten zwei Online-Befragungen (T0: Juli – Dezember 2021, n= 360, T1: Januar – Juli 2022, n = 80). Zielgrößen waren Trauersymptomatik (TRIG-D, IPGDS-B-GER, UGRS), COVID 19-spezifische belastende Todesumstände, Stresserleben (PSS-10), psychische Gesundheit (WHO-5) und Resilienz (BRS). Die Stichprobe wurde anhand der Frage „Wer übernahm die Pflege vorwiegend?“ unterteilt in hoch involvierte, vorwiegend selbst Pflegende (HP, NT0 = 63, NT1 = 14), Pflegende, die nur gering in die Pflege involviert waren (GP, NT0 = 106, NT1 = 26) und Hinterbliebene von Menschen ohne Pflegebedarf (NP, NT0 = 191, NT1 = 40).
3. Ergebnisse
Die Gruppen unterschieden sich signifikant bezüglich demografischer Daten. HP und NP berichteten höhere Trauerintensität, schlechteres mentales Wohlbefinden und mehr trauerbezogene Rumination als GP (p < .001) und erfüllten häufiger die Kriterien einer Anhaltenden Trauerstörung (5% (GP), 18% (NP), 24% (HP), p = 0.004). NPs berichteten häufiger den Verlust auf einer Intensivstation und eine Vermeidung der Auseinandersetzung mit dem Verlust. HPs gaben am häufigsten an, sich nicht ausreichend um die verstorbene Person gekümmert zu haben. Zu T1 zeigen sich keine signifikanten Gruppenunterschiede.
4. Diskussion
Nicht-Pflegende und Selbst-Pflegende
zeigten eine hohe Belastung nach einem Verlust während der COVID-19 Pandemie. Während Nicht-Pflegende eher
belastende Todesumstände berichten, sorgen sich Selbst-Pflegende, nicht
genug getan zu haben. Zur Prävention negativer Gesundheitsfolgen erscheint
es wichtig, individuelle Umstände des Verlusts zu berücksichtigen.
Angehörige von Pflegebedürftigen könnten bereits vor dem Todesfall
von einer trauerbezogenen Unterstützung und einer Entlastung durch Annahme
von Hilfsleistungen profitieren.