Das Mikrobiom: ein Ansatz zur Therapie der Alzheimer-Krankheit?
Georg Adler
Institut für Studien zur Psychischen Gesundheit (ISPG), Mannheim
1. Zielsetzung/Fragestellung
Das Ökosystem der Mikrobiota im menschlichen Darm spielt wahrscheinlich eine Rolle bei der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit, aus der sich auch therapeutische Konsequenzen ergeben können.
2. Materialien/Methoden
Das Darm-Mikrobiom befindet sich ganz überwiegend in den oberflächlichen Abschnitten der Schleimschicht auf der Mukosa des Colons und besteht aus einer individuell unterschiedlichen, über Jahre aber recht konstante Zusammensetzung von 200 bis 500 Bakterienarten. Es kann sich unter dem Einfluss von Ernährung, Alter, Stress, verschiedenen Erkrankungen und medikamentöser Behandlung verändern. Die Darm-Mikrobiota leisten Beiträge zu 3 Funktionsbereichen: 1) Erhaltung der Darm-Integrität (Versorgung mit kurzkettigen Fettsäuren, Abdichtung der Darmschleimhaut); 2) Verdauung und Stoffwechsel (Anregung der Peristaltik, Abbau von komplexen Molekülen, Synthese von Stoffwechselprodukten, Modifikation und Entgiftung von Medikamenten); 3) Immunologie (Schutz vor aufgenommenen Pathobionten, Immuntraining für den Gesamtorganismus, Einfluss auf Entzündungs- und Alterungsprozesse).
3. Ergebnisse
Das Darm-Mikrobiom kommuniziert
mit dem Gehirn auf 4 Wegen: 1) vegetatives Nervensystem; 2) von den Mikrobiota
synthetisierte Hormone und Neurotransmitter;
3) andere Metaboliten der Mikrobiota, z.B. kurzkettige Fettsäuren; 4)
Immunsystem.
Bei molekulargenetischen Untersuchungen mit Hilfe der 16S-rRNA-Sequenzierung
zeigten sich bereits bei Patienten mit beginnender Alzheimer-Demenz erhebliche
Veränderungen in der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms. Diese Veränderungen
können zu einer Zunahme von entzündlichen Veränderungen im Gehirn
und zu einer Verstärkung der Alzheimer-spezifischen Krankheitsprozesse
führen.
4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Entsprechend wurde auf verschiedenen
Wegen versucht, diese Krankheitsprozesse über
das Mikrobiom zu beeinflussen. Die sind 1) Probiotika (Zubereitungen, die lebende
Mikroorganismen enthalten), 2) Präbiotika (Substanzen, die von den Mikrobionten
genutzt werden können, insbesondere Kohlenhydrate wie Di-, Oligo- und
Polysaccharide) und 3) Zufuhr von Stoffwechselprodukten der Mikrobiota, insbesondere
kurzkettigen Fettsäuren.
Derzeit werden klinische Studien zur Behandlung der Alzheimer-Demenz mit dem
Präbiotikum Oligomannat, einem aus braunem Seegras gewonnenen Polysaccharid,
durchgeführt.