Einsamkeit und Depressivität bei gerontopsychiatrischen und geriatrischen Patient:innen
Sandra Just1, Magdalena Seethaler2, Nathalie Waßmuth3, Philip Stötzner2, Eva Brandl2, Felix Bermpohl2
1Gerontopsychiatrisches
Zentrum, Charité: Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,
Berlin
2Charité, Berlin
3Freie Universität, Berlin
1. Zielsetzung/Fragestellung
Ziel dieser Untersuchung ist es, einen Überblick über die Prävalenz von subjektiv erlebter Einsamkeit und Depressivität bei vollstatonär behandelten gerontopsychiatrischen Patient:innen zu erhalten. Es wird untersucht, inwieweit vollstationär behandelte, ältere Personen mit und ohne psychische Störung sich bzgl. des Grades an Einsamkeit und Depressivität unterscheiden. Deshalb erfolgt die Erhebung sowohl in der Gerontopsychiatrie als auch in der Geriatrie mit somatischen Patient:innen. Der Zusammenhang zwischen Depressivität und Einsamkeit und, welche mediierenden und moderierenden Variablen diesen Zusammenhang beeinflussen, wird untersucht. Ein erster Teil der Studie widmet sich Resilienz als potenzieller Mediatorvariable. Im Verlauf wird u.a. noch der Einfluss von sozioökonomischem Status, sozialem Umfeld und Migrationshintergrund untersucht.
2. Materialien/Methoden
Ziel ist die Erhebung von N = 100 stationären Patient:innen > 50 Jahren. Aktuell wurden bereits n = 30 Patient:innen erfasst, welche sich aus 20 gerontopsychiatrischen Patient:innen und 10 geriatrischen Patient:innen zusammensetzen. Ausschlusskriterium war eine schwere kognitive Beeinträchtigung und unzureichende Deutschkenntnisse. In der querschnittlichen Fragebogenstudie kommen zum Einsatz: Geriatrische Depressionsskala 15 (GDS-15; Sheikh & Yesavage, 1986), UCLA Einsamkeitsskala 12 (UCLA-L; Bilsky & Hosser, 1998), Resilienzskala 11 (RS-11; Schuhmacher, Leppert, Gunzelmann, Strauß & Brähler, 2005), WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden, Fremdrating Clinical Global Impression – Severity Scale (CGI; Guy, 1976). Zudem werden medizinische und soziodemographische Variablen erhoben. Die statistische Analyse erfolgt mit R (R Core Team, 2020).
3. Ergebnisse
Die 20 gerontopsychiatrischen Patient:innen
waren 8 Männer und 12 Frauen,
im Schnitt 74 Jahre alt. Die 10 geriatrischen Patient:innen waren 2 Männer
und 8 Frauen, im Schnitt 83 Jahre alt. Die häufigste psychiatrische Diagnosekategorie
waren affektive Störungen (n = 12 gerontopsychiatrische Patient:innen),
gefolgt von organischen psychischen Störungen (jeweils n = 3 Patient:innen
in Gerontopsychiatrie und Geriatrie). Über beide Gruppen wiesen bis auf
einen Fall alle Patient:innen somatische Komorbiditäten auf. Im Vergleich
mit geriatrischen Patient:innen waren Patient:innen in gerontopsychiatrischer
Behandlung öfter geschieden, Unterschiede zur Wohnform waren nicht signifikant
- beide Gruppen lebten am häufigsten allein. Auch die eigene finanzielle
Situation wurde nicht signifikant unterschiedlich bewertet.
Unsere vorläufigen Ergebnisse zeigen eine signifikant höhere Depressivität
(p = .017) und Einsamkeit (p = .001) in der gerontopsychiatrischen Stichprobe
im Vergleich zur geriatrischen Kontrollgruppe. In einer linearen Regression über
alle Patient:innen war Einsamkeit ein signifikanter Prädiktor für
Depressivität (F(1,26) = 15.36, p = .001) und erklärte 37.1% der
Varianz. In einer multiplen linearen Regression wurde zusätzlich zu Einsamkeit
Resilienz als Prädiktor eingeschlossen. Beide Haupteffekte waren signifikant,
der Interaktionsterm jedoch nicht. Das Modell erklärte 55.6% der Varianz
in Depressivität.
4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Unsere vorläufigen Ergebnisse stehen im Einklang mit anderen Studien (z.B. Jeuring et al. 2018), die gezeigt haben, dass Einsamkeit im Alter weit verbreitet ist und mit psychischen Problemen wie Depressionen zusammenhängt. Unsere Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass insbesondere ältere Menschen, die bereits unter psychischen Störungen leiden, Einsamkeit zu erleben scheinen. Es kann vermutet werden, dass Einsamkeit und psychische Probleme sich gegenseitig verstärken, weshalb sich hier ein gesellschaftlicher Auftrag zeigt, Einsamkeit im Alter, insbesondere bei psychisch erkrankten Menschen anzugehen. Weitere Datenerhebungen und Auswertungen sind geplant.