Kognitive Leistungsfähigkeit älterer Straftäter im Maßregelvollzug

Sandra Verhülsdonk1, Barbara Höft2, Tillmann Supprian2, Elke Kalbe3

1Institutsambulanz Gerontopsychiatrie, LVR-Klinikum Düsseldorf
2Abteilung Gerontopsychiatrie, LVR-Klinikum Düsseldorf
3Uniklinik Köln

1. Zielsetzung/Fragestellung

Im Maßregelvollzug werden Straftäter behandelt, die aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht oder nur vermindert schuldfähig sind. Im Jahr 2013 waren in der Bundesrepublik Deutschland 570 Menschen, die nach § 63 und § 64 StGB untergebracht waren, 60 Jahre oder älter. Insgesamt werden für die Gruppe älterer forensischer Patienten komplexe Bedürfnisse bezüglich der Betreuung und Behandlung formuliert, die sich aufgrund altersspezifischer Veränderungen und häufiger somatischer Multimorbidität deutlich von den Bedürfnissen jüngerer forensisch untergebrachter Straftäter unterscheiden (Yorston &Taylor, 2009, Lightbody et al., 2010).
Curtis et al. (2002) fanden bei der Hälfte gesundheitliche Probleme somatischer Genese und eine hohe Prävalenz komplexer psychischer Symptomatik. Eine große Anzahl der Patienten wird zudem mit anticholinerg wirksamen Medikamenten behandelt, was die Kognition ungünstig beeinflussen kann.
Die Frage nach der Prävalenz kognitiver Störungen und demenzieller Syndrome bleibt für den Maßregelvollzug in Deutschland bislang unbeantwortet.
Berücksichtigt man den mit kognitiven Einschränkungen einhergehenden Bedarf an Unterstützung und Behandlung über oftmals Jahre hinweg, ist die Frage nach der Auftretenshäufigkeit solcher Defizite für die Beschäftigten in den Einrichtungen ebenso wie für die Entscheidungsträger auf politischer Ebene relevant und wird in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.
Vor diesem Hintergrund wurde in forensischen Abteilungen des LVR ein Modellprojekt zur Gewinnung empirischer Daten bezüglich der kognitiven Leistungsfähigkeit älterer forensisch untergebrachter Patienten durchgeführt.

2. Materialien/Methoden

Die Studie wurde an 5 forensischen Abteilungen in Kliniken des LVR durchgeführt. Zu jedem Probanden, der einer Befragung zustimmte und seine schriftliche Einwilligung zur Teil-
nahme an der Studie erklärte, wurden soziodemographische und biographische Daten ebenso wie vorhandene (und bekannte) somatische Erkrankungen und die aktuelle Medikation durch die Untersucherin erfragt und dokumentiert.
Zur Erfassung kognitiver Beeinträchtigung wurden in der klinischen Routine etablierte Screening-Verfahren eingesetzt.
Die Studie wurde bei der Ethikkommission der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zur Prüfung vorgelegt und von dieser positiv votiert. (Studiennummer 6126R, Registrierungs-ID 2017084423, Votum vom 23.02.2018).

3. Ergebnisse

Insgesamt nahmen 34 forensische Patienten an der Erhebung teil. Die Altersspanne reichte dabei von 60-91 Jahren. Sowohl für das globale kognitive Leistungsniveau wie auch für die spezifischen Leistungen in den Domänen Exekutiv- und Frontalfunktionen zeigte ein Großteil der Stichprobe über das Altersmaß hinausgehende Beeinträchtigungen. Die Prävalenz dieser Defizite liegt deutlich über der Prävalenz solcher Einbußen, wie sie für die Allgemeinbevölkerung dokumentiert sind

4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung

Auf Basis der ersten empirischen Daten finden für die stetig wachsenden Gruppe älterer Menschen im deutschen Maßregelvollzug erhöhte Prävalenzen von kognitiven Einschränkungen. Risikofaktoren sowohl gesundheitlicher Art als auch sogenannte Lebensstilfaktoren scheinen gehäuft vorzuliegen. Mit Blick auf damit oftmals assoziierte funktionale Defizite ergibt sich Handlungsbedarf hinsichtlich weiter Forschung als vor allem auch hinsichtlich spezifischer therapeutischer und Versorgungsangebote.

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