Der alternde Opiatabhängige unter Opioid Substitutionstherapie (OST)

Konrad Isernhagen

Gemeinschaftspraxis Gotenring, Köln

Die Opioid-Substitutionstherapie hat sich mittlerweile zu einer Standardbehandlung der Opiatabhängigkeit entwickelt. Eine bedarfsgerechte Therapie dieses schweren und potentiell lebensbedrohlichen Krankheitsbildes ist durch die Diversifizierung der Substitutionsmittel (dl-Methadon, Levomethadon, retardiertes Morphin, Buprenorphin – als Sublingualtablette oder neuerdings als Depot-Injektion – und Diamorphin) möglich geworden. Ausdruck der Verbesserung der Therapieoptionen ist ein Rückgang der Drogensterblichkeit, eine optimierte Therapie der Suchtfolgeerkrankungen und damit eine deutlich höhere Lebenserwartung der Opiatabhängigen. Im Jahr 2002 lag das Durchschnittsalter der Substitutionspatienten der Gemeinschaftspraxis Gotenring bei 37,1 Jahren, stieg bis 2012 auf 45 Jahre und liegt aktuell bei 54,1 Jahren. Diese erfreuliche Entwicklung bedingt aber neue Herausforderungen für das Versorgungssystem, denn unsere Patienten werden nicht nur älter, sie sind teilweise mit >50 alt. Durch das jahrzehntelange Leben im Drogenmilieu altern Drogengebraucher schneller, die alterstypischen biologischen Veränderungen beobachtet man bei ihnen früher als an Nicht-Abhängigen (Vogt 2013). Die Kumulation von Risikofaktoren und Komorbidität ist höher im Vergleich zur Altersgruppe (Hser 2004). Dies führt zusammen mit chronischen Suchtfolgeerkrankungen wie COPD, Leberfunktionsstörungen durch Hepatitis C und/oder Alkohol sowie arteriellen oder venösen Gefäßerkrankungen zu vorzeitiger Hilfsbedürftigkeit. Ca. 60% der >50 jährigen berichten über einen schlechten Gesundheitszustand (Rosen 2008). Viele Patienten sind mit Mitte – Ende 50 kaum noch in der Lage, selbstständig zu leben, der manchmal notwendige tägliche Weg zum substituierenden Arzt ist nur schwer zu bewältigen. Eine adäquate Versorgung ist in dieser Situation nur mithilfe ambulanter und immer öfter auch stationärer Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten. In der Vergangenheit ist dies an organisatorische und rechtliche Grenzen gestoßen, der Gesetzgeber hat der Entwicklung mit der Reform der Betäubungsmittelgesetzgebung Rechnung getragen und die Substitution durch ambulante Pflegedienste und die Einrichtungen der Altenhilfe erleichtert. Hieraus erwachsen neue Herausforderungen für die Suchtmedizin und für die Angehörigen der pflegenden Berufe, zumal der Gesetzgeber kritisch zu bewertende bürokratische Hürden für die Versorgung Drogenabhängiger durch Pflegedienste oder Einrichtungen der Altenhilfe aufgebaut hat. Suchtspezifische Fortbildungen für diese Berufsgruppen sind notwendig, über das Setting der Versorgung sollte diskutiert werden (spezialisierte Einrichtungen versus allgemeine Senioreneinrichtungen) und der Umgang mit Drogenrückfällen in stationären Einrichtungen ist zu klären.

Literatur:
Vogt, I.: 26. Kongress des Fachverbandes Sucht e.V., Heidelberg 2013
Rosen et al.: Am J Geriatr Psychiatry. 2008 Jun;16(6):488-97
Hser et al.: J Behav Med. 2004 Dec;27(6):607-22

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