Aromatherapie bei Demenzen - eine systematische Übersichtsarbeit (Projekt im Rahmen des nationalen Graduiertenkollegs OPTIDEM)
Carina Klocke, Felix
Margenfeld,
Stefanie Joos
Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin
und Interprofessionelle Versorgung,
Tübingen
Zielsetzung/Fragestellung:
Eine Vielzahl verhaltensbezogener und psychologischer Symptome von Demenzen,
wie z.B. Agitation, Depression oder Aggression, belasten das Wohlergehen
von Personen mit Demenzen sowie Ihrer Angehörigen neben dem Abbau
kognitiver Fähigkeiten deutlich. Medikamentöse Maßnahmen
zur Linderung dieser Symptome gehen dabei häufig mit Neben- und Wechselwirkungen
einher. Komplementärmedizinische Interventionen wie die Aromatherapie
gelten als neben- und wechselwirkungsarm. Die Aromatherapie ist dabei eine
für nicht-medizinisch geschulte Angehörige oder Personen mit
Demenz selbst eine wenig aufwendige und einfach handhabbare Methode. Die
Zielsetzung dieser Studie, die im Rahmen des nationalen Graduiertenkollegs
OPTIDEM entstanden ist, ist es, den aktuellen Forschungsstand zu erfassen
und zu bewerten hinsichtlich der Frage: Kann die äußerliche
Anwendung und/oder Inhalation von aus Pflanzen gewonnenen ätherischen Ölen
(=Aromatherapie) Symptome von Patienten mit Demenzen lindern?
Materialien/Methoden:
Im März/April 2017 wurde eine systematische Literaturrecherche in den
Datenbanken MEDLINE, Embase, PsycINFO, PSYNDEX und BIOSIS durchgeführt.
Die Einschlusskriterien bei Sichtung der deutschen und englischen klinischen
Studien waren: (P) Personen mit klinisch gesicherter Demenzdiagnose, (I) Aromatherapeutische
Anwendung, inklusive Aroma-Massage, (C) kontrollierte und unkontrollierte Studien,
(0) keine Festlegung auf bestimmte Outcome-Parameter.
Ergebnisse:
Es konnten 1.070 Studien identifiziert werden; davon konnten unter Einhaltung
der vorab festgelegten Einschlusskriterien 15 Studien mit Studienpopulationen
von 15 bis 73 Personen mit Demenzen in die durchgeführte deskriptive
Analyse eingeschlossen werden. Es zeigt sich, dass in den Studien vor allem ätherisches
Lavendelöl für aromatherapeutische Interventionen bei Demenzen
genutzt wird (n=13). Die Anwendung konzentriert sich dabei vor allem auf
zwei verschiedene Arten: In 11 Studien wird das essentielle Öl über
Hautkontakt angewandt und in davon 10 Studien zumindest kurz einmassiert.
In 9 Studien erfolgt die Intervention ohne Körperkontakt, d.h. über
Einatmung durch Raumbeduftung oder Duftsachets am Probanden. Die meisten
Studien (n=13) erfassen die Agitation der Probanden als Outcome-Parameter,
davon zehn Studien standardisiert. In 6 dieser 10 Studien können zumindest
kurzfristige, klinisch relevante positive Effekte der Aromatherapie auf
das agitierte Verhalten gezeigt werden; in den restlichen vier Studien
zeigt sich keine Wirkung. Neben- und Wechselwirkungen werden in keiner
der eingeschlossenen Studien berichtet. Insgesamt jedoch sind diese Ergebnisse
durch geringe Fallzahlen und/oder methodische Schwächen limitiert.
Zusammenfassung/Schlussfolgerung:
Der Einsatz essentieller Aromaöle, insbesondere von Lavendel, kann sich
positiv auf verhaltensbezogene und psychologische Symptome von Demenzen auswirken,
vor allem bei Aufnahme über die Haut und in Form von Aromamassage. Die
Studienlage ist jedoch nicht ausreichend, um zum jetzigen Zeitpunkt klare Empfehlungen
zum Einsatz von Aromatherapie bei Demenzen zu geben. Hierzu bedarf es weiterer,
qualitativ hochwertiger Studien mit einheitlicheren Studiendesigns; insbesondere
im Hinblick auf die genaue Interventionsart sowie die Abgrenzung der Wirkung
verschiedener essentieller Öle.