Massage & Co bei Menschen mit Demenz - eine systematische Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse (Projekt im Rahmen des nationalen GraduiertenkollegsOPTIDEM)
Felix Margenfeld,
Carina Klocke, Stefanie Joos
Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin
und Interprofessionelle Versorgung,
Tübingen
Zielsetzung/Fragestellung:
Die momentan verfügbaren pharmakologischen Therapieansätze zur Demenzbehandlung
sind durch niedrige Effektstärken und vielfältige unerwünschte
Arzneimittelwirkungen limitiert. Zunehmend wird daher nicht-pharmakologischen
Behandlungsstrategien wie Massage, die sich sowohl durch einfache Anwendbarkeit
als auch durch nahezu Nebenwirkungsfreiheit auszeichnet, mehr Beachtung geschenkt.
Die vorliegende systematische Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse, die im
Rahmen des nationalen Graduiertenkollegs OPTIDEM entstanden ist, hat zum Ziel,
die Effekte manueller Interventionen wie Massage oder Akupressur auf die Ausprägung
von Symptomen bei Menschen mit Demenz zu untersuchen.
Materialien/Methoden:
Im März/April 2017 wurde eine systematische Literaturrecherche in den
Datenbanken EMBASE, Medline, PubMed, PSYinfo, BIOSIS, EBM, PSYCINDEX, Osteopathic
Research Web und OSTMED.DR durchgeführt. Einschlusskriterien waren: randomisiert-kontrolliertes
Studiendesign (RCTs) bei Patienten mit Demenzdiagnose, manueller Kontakt in
der Interventionsgruppe, kein physikalischer Kontakt zwischen Behandler und
Behandeltem in der Kontrollgruppe, Erfassung von Verhaltens- und psychologischen
Beschwerden, kognitiven Fähigkeiten oder depressiven Symptomen mittels
validierter Messinstrumente. Im Rahmen der Meta-Analyse diente als Effektmaß bei
unterschiedlichen Skalierungen der Messinstrumente die standardisierte Mittelwertdifferenz
(SMD) mit einem 95% Konfidenzintervall und bei gleicher Skalierung die Mittelwertdifferenz
(MD) mit einem 95% Konfidenzintervall. Es wurde das random-effects Model angewandt.
Ergebnisse:
11 RCTs mit insgesamt 825 Demenzpatienten konnten für die qualitative
Beurteilung herangezogen werden, wovon 9 in die quantitative Analyse Einzug
fanden. Es konnte sowohl für Agitiertheit und Aggression, erfasst durch
den Cohen Mansfield Agitation Inventar, ein Benefit für manuelle Interventionen
im Vergleich zur Kontrollgruppe (SMD = –0.56, 95% CI
[–0.95, –0.17], P = 0.005), als auch für depressive Beschwerden,
evaluiert mit der Cornell Scale of Depression in Dementia (MD = –6.14
[–8.66, –3.61], P < 0.00001), gezeigt werden. Keine signifikanten
Effekte konnten für Verhaltens- und psychologische Beschwerden und für
kognitive Fähigkeiten gezeigt werden. Sensitivitätsanalysen erbrachten
einen zusätzlichen Effekt von Aromaölen, jedoch keine Abhängigkeit
von der Art der Massageintervention (z.B. Akupressur).
Zusammenfassung/Schlussfolgerung:
Die Meta-Analyse weist auf signifikante Effekte manueller Interventionen bei
Agitiertheit, Aggression und depressiven Beschwerden bei Menschen mit Demenz
hin. Auf Basis dieser Ergebnisse kann der Einsatz von Massage & Co
empfohlen werden. Bei einfacher Anwendbarkeit und Nebenwirkungsfreiheit
sollten sowohl Gesundheitsfachkräfte wie auch pflegende Angehörige
ermutigt werden, manuelle Interventionen in die tägliche Routine zu
integrieren. Möglicherweise kann so auch der Einsatz sedierender Medikamente
mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen reduziert werden. Um exaktere
Empfehlungen zu Art und Dauer der manuellen Interventionen geben zu können,
bedarf es weiterer Studien.