Psychopharmaka-Verordnungen bei älteren Patienten in einem Allgemeinkrankenhaus

Roland Nau,
Inken Arnold1,3, Kati Straube1,3, Wolfgang Himmel2, Stephanie Heinemann2, Vivien Weiß2, Laura Heyden1, Michael Karaus1, Eva Hummers-Pradier2, Roland Nau1,3

Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende1, Institut für Allgemeinmedizin2 & Institut für Neuropathologie3, Universitätsmedizin Göttingen

Hintergrund:
Benzodiazepinen und Z-Substanzen beinhalten aufgrund ihres Abhängigkeitspotentials, ihrer muskelrelaxierenden Wirkung und ihrer Beeinflussung der kognitiven Funktionen erhebliche Gefahren für ältere Menschen.
Methodik: In einer retrospektiven Krankenblattanalyse (Teil des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Projektes „...da gab es so wunderbare Schlaftabletten – Verordnungen von Hypnotika und Sedativa an der Schnittstelle von Krankenhaus und Hausarzt“) wurden die Krankenakten und Entlassungsbriefe aller Patienten mit einem Alter = 65 Jahre, die im Evangelischen Krankenhaus Göttingen-Weende vom 01.01.2013 bis zum 31.03.2013 stationär behandelt wurden (n = 2130), ausgewertet. Die jeweils verabreichten Benzodiazepine, Z-Substanzen, Neuroleptika und Antidepressiva (Bedarfs- und Dauermedikation) wurden erfasst und gemäß der PRISCUS-Liste bewertet. Auf der Intensivstation zur Sedierung bzw. prä-operativ als Prämedikation verabreichte Pharmaka wurden nicht berücksichtigt.
Ergebnisse: 53,9% aller Patienten erhielten während ihres Krankenhausaufenthalts mindestens ein Psychopharmakon als Bedarfs- oder Dauermedikation (29,6% Benzodiazepine, 12,6% Z-Substanzen, 22,2% Antidepressiva, 11,9% Neuroleptika). Geriatrische Patienten erhielten am häufigsten Antidepressiva (45,0%), Neuroleptika (20,6%) und Z-Substanzen (27,5%). Chirurgische Patienten erhielten am häufigsten Benzodiazepine (37,1%). Etwa ein Drittel aller Patienten erhielten eine gemäß der PRISCUS-Liste potentiell ungeeignete Substanz oder Dosis. Die folgenden Faktoren waren mit der Behandlung mit einem oder mehreren Psychopharmaka assoziiert: weibliches Geschlecht (Odds Ratio [OR]1,36; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,14-1,63), Behandlung im Geriatrischen Zentrum (OR 2,68; CI 1,99-3,61) und Aufenthalt auf der interdisziplinären Intensivstation (OR 2,08; CI 1,47-2,96). Benzodiazepine und Z-Substanzen wurden meistens als Bedarfsmedikation verordnet (77,7% der Benzodiazepin-, 73,9% der Z-Substanz-Verordnungen). Bei 33 Patienten (1,6%) bzw. 17 Patienten (0,8%) wurde während der Krankenhausbehandlung mit einem Benzodiazepin bzw. einer Z-Substanz begonnen, bei 27 (1,3%) bzw. 15 (0,7%) wurde ein Benzodiazepin bzw. eine Z-Substanz abgesetzt.

Schlussfolgerung:
Benzodiazepine und Z-Substanzen werden im Krankenhaus bei älteren Patienten häufig verordnet. Eine Weiterverordnung von im Krankenhaus neu angesetzten Benzodiazepinen und Z-Substanzen wurde im Entlassungsbrief in den meisten Fällen nicht empfohlen. Der Prozentsatz der als Dauermedikation verordneten Benzodiazepine und Z-Substanzen korrespondierte gut mit Literaturdaten zur Abhängigkeit von diesen Pharmaka.

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