Ethische Aspekte von Telemedizin und technischen Assistenzsystemen
Arne Manzeschke,
Institut Technik · Theologie · Naturwissenschaften an der LMU
München
Diagnostik und Therapie, aber auch
Prävention und Rehabilitation finden zunehmend auf der Basis elektronisch
erhobener und verarbeiteter Daten der Patienten/Klienten statt. Die Verfügbarkeit dieser
Daten zu jeder Zeit an jedem Ort für jedermann (ubiquituous computing)
bildet die technologische Basis neuerer medizinischer und pflegerischer Handlungs-
und Behandlungsmöglichkeiten, bei denen auch über Distanzen hinweg
agiert werden kann. Zweifelsohne kann diese Technik dem Menschen in gewissen
Situationen zu mehr Sicherheit, Freiheit oder auch Selbstbestimmung verhelfen.
Mit diesen neuen Handlungsmöglichkeiten ergeben sich aber auch
eine Vielzahl ethischer Fragen, die sich mit problematischen Aspekten dieser
Veränderungen
auseinander setzen müssen. Diese lassen sich grob in solche der Individualität,
der Sozialität und der Mensch-Maschine-Interaktion gliedern. Auf der
individuellen Ebene werden die elektronischen Daten, welche zum Teil permanent,
zum Teil ambient erhoben werden, die Selbstwahrnehmung der Person verändern
bzw. die Wahrnehmung dieser Person durch andere sehr stark auf die Daten und
ihre algorithmisch verarbeiteten Ableitungen fokussieren. Auch könnten
sich hieraus neue Selbsttechnologien ergeben. Auf der Ebene der Sozialität
werden sich unter Umständen, verbunden mit diesen Selbsttechnologien, neue bzw. schärfer abbildbare
Rechtspflichten zur gesunden
Lebensführung ergeben, und Formen der Fürsorge sich ändern durch
die technischen Systeme, welche Kommunikation und Nähe unterstützen
bzw. simulieren. Auf der Ebene der Mensch-Maschine-Interaktion schließlich
deuten sich Fragen nach Konvergenzen (Maschinen werden menschenähnlicher,
Menschen werden maschinenähnlicher) an
und solche nach der Mächtigkeit von Expertensystemen, welche (gesundheitsbezogene)
Entscheidungen vorstrukturieren und Empfehlungen abgeben, die leicht in Normierungen umschlagen könnten.
Der Vortrag liefert eine kurze und fokussierte Tour d’horizon der aktuellen
Entwicklungen undskizziert auf dieser Grundlage zentrale ethische und anthropologische Fragestellungen.