Die hohe Kunst der Steuerung von Demenznetzwerken in Deutschland
Susanne Schäfer-Walkmann,
Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart, Fakultät Sozialwesen
Institut
für angewandte Sozialwissenschaften (IfaS), Zentrum für
kooperative Forschung
Franziska Traub,
Alessa Peitz,
Institut für angewandte Sozialwissenschaften, Stuttgart
1. Zielsetzung/Fragestellung
Regionale Demenzversorgung durch ein Demenznetzwerk ist eine komplexe Aufgabe, die in einem vielpoligen Spannungsfeld aus sich ausdifferenzierenden Lebens- und Bedarfslagen der Klientel, Markt- und Wettbewerbsorientierung, kommunal und staatlich gesetzten Rahmenbedingungen sowie der notwendigen sozialräumlichen Verankerung und einer zivilgesellschaftlichen Rückbindung stattfindet. Typisch für Netzwerkstrukturen sind vielfältige Verflechtungen und zahlreiche Interdependenzen: Netzwerke richten sich strategisch nach innen und nach außen aus, um auf Störungen reagieren zu können, handlungsfähig zu bleiben und das eigene Überleben dauerhaft abzusichern. Erfolgreiche Demenznetzwerke reagieren auf diese Anforderungen mit Prozessen der Hybridisierung bzw. mit der Ausbildung von organisationaler Governance. Das vom IfaS in Stuttgart verantwortete Teilprojekt analysiert im Rahmen der DemNet-D Studie entsprechende Governance-Strukturen innerhalb der untersuchten Demenznetzwerke.
2. Materialien/Methoden
Eine Analyse des komplexen Gegenstandes führte zu einer Kombination quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden. Im Rahmen der qualitativen Netzwerkanalysen wurden explorative, persönliche, problemzentrierte Einzelinterviews mit den Netzwerkverantwortlichen anhand eines semi-strukturierten Interviewleitfadens geführt. Zudem erfolgte eine umfangreiche strukturierte Inhaltsanalyse der von den Netzwerken bereitgestellten Dokumentationsmaterialien. Den dritten Baustein bilden Gruppendiskussionen mit Schlüsselpersonen der jeweiligen Netzwerke, die mithilfe der Grounded Theory ausgewertet werden. Den analytischen ebenso wie den theoretischen Rahmen hierfür bildet der Governance-Ansatz. Das methodische Vorgehen zur Auswertung und Interpretation von Governancestrukturen in Demenznetzwerken orientiert sich an der typenbildenden Inhaltsanalyse, die eine methodisch kontrollierte Typenbildung ermöglicht.
3. Ergebnisse
Aus den bislang erhobenen Primärdaten wurde für den Untersuchungsgegenstand Governance inzwischen eine Reihe von Variablen abgeleitet, die für die Typenbildung grundlegend sind. Diese Variablen sind einerseits theoretisch definiert, andererseits mit Fundstellen aus dem qualitativen Material gesättigt. So konnten folgende, die Governancestrukturen von Demenznetzwerken charakterisierende Variablen generiert werden: Netzwerkorganisation, Sektorenbezug, Hybridität und Interaktion mit Stakeholdern. Diese Variablen werden jeweils durch 3 bzw. 4 spezifische Unterkategorien weiter ausdifferenziert. Im nächsten Schritt der Prototypengenerierung konnten für jede Unterkategorie Ausprägungen definiert werden. Ausgehend von dieser netzwerkspezifischen Typisierung lassen sich im weiteren Procedere vier generalisierte Governancetypen von Demenznetzwerken bilden.
4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Mithilfe dieser Netzwerkanalyse
kann der Forschungsgegenstand „Governance“ unter
Fokussierung auf relevante Teilaspekte des Phänomens „Demenznetzwerk“ erfasst
werden.
Die hohe Kunst der Steuerung von Demenznetzwerken besteht darin, die passende
Governancestrategie für das Netzwerk zu entwickeln und zu verstetigen:
1. Stakeholder-orientierte Netzwerke erreichen ihre Ziele durch systematische
Identifikation, Aktivierung und Einbindung relevanter, externer Anspruchsgruppen.
2. Der Organisationsorientierte Netzwerktyp zeichnet sich durch eine äußerst
formelle interne Steuerung der Netzwerkgeschicke aus und etabliert eine definierte
Steuerungszentrale.
3. Hybride Netzwerke sind äußerst flexibel, sie können ihre
Strategie sehr schnell an sich ändernde Rahmen- und Umweltbedingungen
anpassen.
4. Auftragsbezogene Netzwerke sind primär kundenorientiert und verfolgen
ihre gesundheitsbezogenen Ziele (Versorgungsziele, Aufklärungsziele) konsequent
und zielstrebig.