Patientenverfügungen von Menschen mit Demenz – Chancen und Herausforderungen ihrer klinischen Umsetzung aus ethischer Perspektive
Jakov Gather,
Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin / Klinik für
Psychiatrie,Psychotherapie und Präventivmedizin, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann,
Institut für Medizinische Ethik
und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum
1. Zielsetzung/Fragestellung
Patientenverfügungen stellen in Deutschland ein gesetzlich verankertes Instrument
dar, mit dessen Hilfe Patientinnen und Patienten im Voraus Behandlungswünsche
für Situationen festlegen können, in denen sie krankheitsbedingt über
keine Selbstbestimmungsfähigkeit mehr verfügen. Angesichts der Tatsache,
dass im Rahmen eines fortschreitenden demenziellen Prozesses die Selbstbestimmungsfähigkeit
durch die kognitiven Defizite zunehmend eingeschränkt wird, sind Patientenverfügungen
bei Menschen mit Demenz dazu geeignet, die Selbstbestimmung auch in späten
Stadien der Erkrankung zu fördern.
2. Materialien/Methoden
Im Rahmen einer ethischen Analyse werden zunächst grundlegende normative
Voraussetzungen von Patientenverfügungen (Selbstbestimmungsfähigkeit
zum Zeitpunkt der Abfassung, Anwendbarkeit auf die konkrete Lebens- und Behandlungssituation
etc.) erörtert. In einem zweiten Teil werden anhand paradigmatischer klinischer
Fälle Chancen und Herausforderungen ihrer klinischen Umsetzung diskutiert.
3. Ergebnisse
Sofern die ethischen und rechtlichen Voraussetzungen für die Gültigkeit
von Patientenverfügungen im konkreten Fall erfüllt sind, bieten sie
demenzkranken Menschen die Möglichkeit, rechtlich bindend Entscheidungen
für Krankheitsphasen zu treffen, in denen sie über keine Selbstbestimmungsfähigkeit
mehr verfügen. Herausforderungen bei der klinischen Umsetzung ergeben
sich unter anderem dann, wenn Betroffene durch nicht-selbstbestimmte („natürliche“)
Willensäußerungen ihrem vorausverfügten selbstbestimmten Willen
zu widersprechen scheinen oder sich die in der Patientenverfügung gemachten
Angaben nicht eindeutig auf die aktuelle Behandlungssituation anwenden lassen.
4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Aus ethischer Perspektive beinhalten Patientenverfügungen die Chance,
auch in fortgeschrittenen Demenzstadien die Selbstbestimmung der betroffenen
Menschen zu respektieren. Aus diesem Grund sollten sie in der Beratung und
Versorgung von Menschen mit beginnender Demenz verstärkt thematisiert
und implementiert werden. Dabei sollten auch potentielle Widersprüche
mit späteren „natürlichen“ Willensäußerungen
oder Probleme bei der Anwendung in nicht klar geregelten klinischen Situationen
diskutiert werden, um durch entsprechende inhaltliche und prozedurale Festlegungen
vorausschauend das Risiko zukünftiger ethischer Konfliktsituationen minimieren
zu können.