Verpflichtende Fahreignungsuntersuchungen für ältere Autofahrer? Europäische Regelungen im Vergleich

Sonja Haustein,
Technical University of Denmark, Department of Transport, Kgs. Lyngby, Dänemark

Anu Siren,
The Danish National Centre for Social Research, Kopenhagen, Dänemark

In der Gedächtnissprechstunde unserer Psychiatrischen Institutsambulanz Bielefeld-Bethel wurde in einer multiprofessionellen Arbeitsgruppe ein strukturiertes, individualisiertes Verfahren zur Beurteilung der Fahreignung bei kognitiven Einschränkungen erarbeitet. Dieses verbindet die Objektivität einer Risikofaktorenliste mit der Individualität eines einzelfallbezogenen Konsensusverfahrens vor der Beratung der Patienten. In diesem wird berufsgruppenübergreifend eine klare Beratungsempfehlung erarbeitet - nicht nur wie bisher bzgl. der Ursache der kognitiven Einschränkungen, sondern zusätzlich neu speziell zum Thema Fahreignung.

Die Risikofaktorenliste lehnt sich an eine Publikation der Schweizer Memory Clinics aus 2012 an (Mosimann et al, Konsensusempfehlungen zur Beurteilung der medizinischen Mindestanforderungen für Fahreignung bei kognitiver Beeinträchtigung, Praxis 2012; 101(7): 451-464). Sie wurde nach aktueller Literatur und eigenen Erfahrungen modifiziert. Risiken für die Verkehrsteilnahme lassen sich somit objektivieren und visualisieren. Um darüber hinaus dem Einzelfall vor entsprechender Beratung Rechnung zu tragen, setzt sich die multiprofessionelle Konsensusrunde zum Ziel, die Befunde aus Risikofaktorenliste, umfassender neuropsychologischer Testung, (Fahr)anamnese, Psychopathologischem Befund und ggf. zerebraler Bildgebung einzubeziehen. Auf diesem Wege erfolgt eine Beratungsempfehlung nach mehrstufiger Skala zwischen den Empfehlungen „Fahreignung gegeben“ und „Fahreignung nicht gegeben“. Die Empfehlungen der Konsensusrunde werden derzeit im Rahmen einer psychologischen Bachelorarbeit anhand des „Corporal Test“ validiert, der in Verkehrsinstituten als gesetzlich zugelassener Fahreignungs-Computertest Anwendung findet. Erste Ergebnisse weisen auf eine hohe Spezifität und Sensitivität des Konsensusverfahrens hin.

Im Vortrag werden die alltagspraktischen Aspekte bei der Anwendung des Beratungsverfahrens dargestellt, das mit aktuellen Modifikationen seit 2013 genutzt wird und aus unserer Sicht für Gedächtnissprechstunden insgesamt zeitökonomisch und effektiv ist. Es besteht Interesse an einer offenen Diskussion über die Vor- und Nachteile unseres Vorgehens, das weiter optimiert werden soll.

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