Altersgerechte Assistenzsysteme: Technische Möglichkeiten zur Unterstützung alter und hochbetagter Menschen

Karsten Weber
Lehrstuhl für Allgemeine Technikwissenschaften, Brandenburgische Technische Universität Cottbus

1. Zielsetzung/Fragestellung

Der demografische Wandel ist in Deutschland und vielen anderen Ländern durch eine dreifache Alterung der Bevölkerung gekennzeichnet: 1) Der Anteil alter Menschen nimmt relativ zur Bevölkerung zu, 2) steigt die Zahl alter Menschen auch absolut und 3) erreichen diese alten Menschen ein immer höheres Lebensalter (vgl. Weber & Haug 2005). So positiv insbesondere der letztgenannte Punkt ist, stellt diese Entwicklung die betroffenen Gesellschaften vor erhebliche Herausforderungen, da bspw. ein steigender Bedarf an medizinischer und pflegerischer Versorgung finanziell und organisatorisch gedeckt werden muss. Ein Aspekt des demografischen Wandels ist weiterhin, „dass der Anteil an pflegebedürftigen Personen wächst, die alleine leben und sich zu Hause auf kein oder nur ein labiles Versorgungsnetzwerk stützen können“ (Depner et al. 2010: 33): Noch werden in Deutschland ca. 2/3 aller pflegebedürftigen alten Menschen in Deutschland zuhause versorgt, doch es besteht die Befürchtung – wie in dem Zitat ausgedrückt –, dass dies in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Dafür gibt es viele Ursachen: Fehlende Arbeitskräfte für die Pflege, eine (zumindest regional) sich ausdünnende Versorgungsinfrastruktur, Aufbrechen der sozialen Netze usw.

Da es erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, älteren und hochbetagten Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben und auch einen Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, müssen mittel- bis langfristig neue Konzepte der Pflege- und Gesundheitsversorgung entwickelt werden. Der im §3 SGB XI enthaltene Grundsatz „ambulant vor stationär“ fordert ebenfalls, einen längeren Verbleib alter und hochbetagter Menschen in ihrer eigenen Wohnung oder in ihrem eigenen Haus zu fördern.

Da familiäre, nachbarschaftliche und zivilgesellschaftliche Strukturen selbst durch den demografischen Wandel negativ betroffen sein werden, muss hierbei der Schwerpunkt auf im Kern kommerzielle Angebote gelegt werden, die durch die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer finanzierbar sind. Diese ergänzen Angehörige und zivilgesellschaftliche Strukturen, auf deren Funktion angesichts der sich wandelnden Bevölkerungsstruktur nicht voll gesetzt werden kann, zumal die Nachbarschaften häufig von Menschen im gleichen Alter oder aber durch große Anonymität geprägt sind.

Daher wird verstärkt darauf gesetzt, die durch Personen erbrachte Pflege- und Gesundheitsversorgung durch technische Assistenzsysteme zu ergänzen oder auch vollständig zu ersetzen. Die Bundesregierung hat dafür bspw. im Rahmen des AAL-Förderprogramms des BMBF eine Reihe von Projekten zur Entwicklung entsprechender Systeme bis zum Prototypenstadium mit erheblichen Mitteln unterstützt.

Auf Basis eines durch das BMBF geförderten Evaluationsprojekts sollen solche Systeme im Kontext des Lebensvollzugs alter und hochbetagter Menschen vorgestellt und bezüglicher ihrer Funktionen und Zielsetzungen im Grundsatz erklärt werden. Hierzu werden im Beitrag Szenarien verwendet, die wichtige Aspekte des täglichen Lebens berücksichtigen.


2. Materialien/Methoden

Literaturstudien für die technischen Systeme, Fokusgruppen und leitfadengestützte Interviews für die Abfrage von Chancen, Risiken und Herausforderungen des Einsatzes solcher Systeme.


3. Ergebnisse

Eine genauere Betrachtung der technischen Assistenzsysteme selbst und die Befragung von Experteninnen und Experten aus dem Bereich der Pflege- und Gesundheitsversorgung (Anwender, Entwickler, Dienstleister) zeigen, dass a) erhebliche Informationsdefizite bei allen tatsächlich oder potenziell betroffenen Stakeholdern zu konstatieren sind, b) dass gerade in Hinblick auf ökonomische Fragen eine technische Unterstützung der Pflege- und Gesundheitsversorgung notwendig erscheint, aber noch weitgehend unklar ist, wie diese finanziert werden könnte, c) dass darüber hinaus zahlreiche normative Konflikte durch den Einsatz von technischen Assistenzsystemen entstehen können.


4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung

Ähnlich wie die technischen Assistenzsysteme selbst befinden sich die Einsatzszenarien, die Geschäftsmodelle und die normativen Überlegungen zur Gestaltung normativer Konfliktsituationen im Prototypenstadium. Viele Systeme demonstrieren, was im Prinzip technisch machbar ist, aber nicht, was ökonomisch realistisch möglich und normativ akzeptabel ist.

 

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