Einsamkeit im Alter – Gesundheitsrisiko und therapeutische Herausforderung
Lutz M. Drach
Schwerin
Einsamkeit ist ein unangenehmes
Gefühl, das aus der Diskrepanz zwischen den ersehnten und aktuell vorhandenen
Beziehungen des Individuums entsteht, und muss von sozialer Isolation, aber
auch von psychischen Störungen wie z.B. Depression abgegrenzt werden.
Neben Einsamkeit als kürzer dauerndes, reaktiv verursachtes Gefühl
(state), kann sie einen Persönlichkeitszug mit der lebenslangen Bereitschaft
(trait) darstellen. Die Kategorie »Einsamkeit« hat noch keinen
festen Platz in der klinischen Diagnostik gefunden und wird in ICD-10 oder
DSM-IV nicht erwähnt. Das Assessment kann mit Hilfe der UCLA-Loneliness-Scale
(deutsch: Hamburger Einsamkeitsskala, HES) erfolgen, für klinische Zwecke
ist meist die schlichte Frage nach Einsamkeit ausreichend. Obwohl entgegen
dem Altersstereotyp die meisten Älteren nicht einsam sind, ist Einsamkeit
insbesondere bei alleinstehenden älteren Männern und Hochaltrigen
beiderlei Geschlechts häufig und mindert die Lebensqualität erheblich.
Einsamkeit verkürzt die Lebenserwartung, erhöht das Risiko von
Behinderung und führt wahrscheinlich zu erhöhter Inanspruchnahme
des Gesundheitssystems. Soziale Isolation und Einsamkeit sind bei Älteren
Risikofaktoren für Depressionen, Demenz und wahrscheinlich auch für
Wahn- und Angststörungen. Dabei ist insbesondere die starke Assoziation
mit dem Auftreten von Depressionen und ihrer schlechteren Prognose gut belegt.
Deshalb sind sowohl eine primäre Prävention bei besonders vulnerablen
Personen, als auch die gruppenpsychotherapeutisch unterstützte soziale
Aktivierung von psychisch kranken Älteren notwendig.