Demografischer Wandel: Herausforderungen für die zukünftige Versorgung? - Analyse und Lösungsansätze aus der Versorgungsforschung

Wolfgang Hoffmann,
Institut für Community Medicine, Universitätsmedizin Greifswald

Der demografische Wandel ist eines der aktuell in Deutschland und den westlichen Industrieländern am meisten diskutierten Themen. Welche Herausforderungen stellen sich jedoch speziell für die gesundheitliche Versorgung? Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns, welches im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands und Europas durch eine besonders schnell voranschreitende Alterung der Bevölkerung bei gleichzeitigem Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet ist, werden die Konsequenzen des demografischen Wandels auf das Gesundheitssystem exemplarisch analysiert. Allgemeine Ursachen des Bevölkerungsrückgangs sind die steigende Lebenserwartung, die starke Verringerung der Geburtenzahlen seit der Wiedervereinigung Deutschlands und ein negativer Wanderungssaldo mit Abwanderung vor allem der jüngeren Altersgruppen. Die demografischen Entwicklungen führen nicht nur zu einer starken Zunahme der älteren Bevölkerung, sondern auch zu einer Abnahme der Bevölkerung in den jüngeren Altersgruppen.
Diese demografischen Änderungen haben einen großen Einfluss auf die Patientenzahlen und damit auf die Bedarfe und Randbedingungen der medizinischen Versorgung. Der Anstieg der Bevölkerungszahlen in den höheren Altersgruppen in Mecklenburg-Vorpommern bewirkt z.B. einen Anstieg der Fallzahlen altersassoziierter Erkrankungen, der durch die Abnahme der Bevölkerungs- und Fallzahlen in den jüngeren Altersgruppen nicht ausgeglichen wird. In der Konsequenz bedeutet dies einen Anstieg chronischer Erkrankungen und Multimorbidität sowie eine Abnahme der Mobilität (und damit einen erhöhten Bedarf an z.B. Hausbesuchen).
Dem erhöhten Versorgungsbedarf steht in Mecklenburg-Vorpommern unter anderem ein hoher Wiederbesetzungsbedarf frei werdender Arztsitze im hausärztlichen und zukünftig auch im fachärztlichen Versorgungsbereich gegenüber. Insbesondere in ländlichen Regionen kann z.B. die kinderärztliche Versorgung problematisch werden, da Praxen durch die geringe Kinderzahl in vielen Fällen nicht mehr rentabel sein werden.
Eine gute medizinische Versorgung ist eine wichtige infrastrukturelle Voraussetzung für gleichwertige Chancen für alle Einwohner des Landes. Für die zukünftige Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung, sowohl für Kinder- und Jugendlichen als für die höheren Altersgruppen ist daher ein besonders effektiver Einsatz bestehender Ressourcen und die Etablierung neuer flexibler, bedarfsorientierter Versorgungskonzepte notwendig. Die Inhalte und Struktur der Modelle sowie die Rolle der beteiligten Akteure sollten dabei abhängig vom Bedarf der jeweiligen Region in Kooperation entwickelt werden.
Beispiele für flexible und regionalisierte Konzeptoptionen sind:
(a) flexible Lösungen für die Erreichbarkeit der medizinischen Leistungen, z. B. im öffentlichen Personennahverkehr;
(b) eine vernünftige Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen, z. B. (Sektorübergreifende) Delegationsleistungen im haus- und fachärztlichen Bereich sowie im Krankenhaus,
(c) telemedizinisches Monitoring von dafür geeigneten Patienten,
(d) telemedizinische Konzepte für die Kommunikation zwischen den Leistungsanbietern, z. B. zwischen Klinik und niedergelassenem Arzt;
(e) Integration der Möglichkeiten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (z. B. Zweigpraxen eines Facharztes, Möglichkeiten der Anstellung im Krankenhaus, ggfs. kombiniert mit einer Teilniederlassung, …) und
(f) Integration von regionalen Case Management-Leistungen.
Von elementarer Wichtigkeit für diese innovativen Konzepte ist deren nachhaltige Integration in das flächenbezogene Versorgungssystem der gesamten Region.

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