Zeitlicher Verlauf der anticholinergen Aktivität im Serum nach Hüftfraktur: Ein Marker fürs Delir?

Stefan H. Kreisel,
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel, Abteilung für Gerontopsychiatrie, Bielefeld,
Barbara C. van Munster, Department of Medicine, Academic Medical Centre, University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande und Department of Geriatrics, Gelre Hospitals, Apeldoorn, Niederlande
Jürgen Kopitz, Pathologisches Institut, Abteilung für Angewandte Tumorbiologie, Universität Heidelberg
Sophia E. de Rooij, Department of Medicine, Academic Medical Centre, University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande
Christine Thomas, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel, Abteilung für Gerontopsychiatrie, Bielefeld


1 . Zielsetzung/Fragestellung
Das Delir im Alter bleibt trotz seiner insbesondere im Rahmen operativer Eingriffe hohen Inzidenz unterdiagnostiziert. Dies liegt nicht nur an fehlender Aufklärung hinsichtlich assoziierter Morbidität und Mortalität, sondern auch in der Tatsache begründet, dass keine objektiven Untersuchungsverfahren etabliert sind – das Delir bleibt eine klinische Diagnose. Somit wären Biomarker mit höherer Sensitivität und Spezifität wünschenswert. Ein Kandidat der sich hier anbieten könnte ist die anticholinerge Aktivität im Serum (SAA). Jedoch haben widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich der Validität in der Vergangenheit den Einsatz im klinischen Alltag verhindert: Studien haben selten für Komorbiditäten korrigiert oder haben nur einzelne Werte statt den zeitlichen Verlauf herangezogen.
Die hier präsentierte Studie ist die bis dato größte die den Verlauf der SAA nach einem zum Delir führenden Ereignis (Hüftfraktur und nachfolgende Operation) untersucht, mit dem Ziel die Wertigkeit des Markers als unabhängigen Prädiktor für das Altersdelir zu prüfen.


2. Materialien/Methoden
142 ältere Patienten die eine akute Hüftfraktur erlitten hatten und sich daher einer Operation unterziehen mussten wurden rekrutiert. Hiervon entwickelten 51% - meistens post-operativ ein Delir. Es wurden bis zu vier Proben pro Patient in einem Zeitraum von bis zu 7.7±5.8 Tagen erhoben. An den Tagen der Probenentnahme wurde der Patient mittels Confusion Assessment Method hinsichtlich der Prävalenz eines Delirs untersucht. Weitere klinische Kovariate (z.B. Demenzdiagnose, Komorbidität, ADL, Anzahl der pro-delirogenen Medikamente, IL-6 und Kortisolspiegel) wurden erhoben.
Die Daten wurden mittels gemischer Modelle statistisch analysiert.


3. Ergebnisse
Es zeigt sich ein 25.4% (95%CI 1.2 – 49.6%, p<0.05) Anstieg der Konzentration der SAA die mit dem Zeitpunkt des Delirbeginns korrespondiert; die Operation führt zwar auch zu einem Anstieg (8.0%), dieser ist aber nicht signifikant. Wird das Model nun durch die Hinzunahme der Kovariate korrigiert, fällt der Effekt des Delirs gänzlich weg – es ist nun nur noch mit einem nicht-signifikanten Anstieg des SAAs von 2.4% assoziiert. Klinische Variablen die stark dem zeitlichen Verlauf der SAA beeinflussen sind vorbestehende kognitiven Einschränkungen und ein Anstieg der Konzentration von IL-6.


4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Die SAA ist im erheblichen Maße abhängig von Kovariaten die auch mit dem Delir assoziiert sind. Als unabhängiger Prädiktor trägt sie nicht zum zeitlichen Verlauf bei Delir bei. Ihr Einsatz als Marker für das Altersdelir lässt sich somit nicht empfehlen.

 

back/zurück