Von der Deeskalation zur nachhaltigen Strukturveränderung – Ergebnisse aus dem Leuchtturmprojekt Demenz QUIKK

Birgit Panke-Kochinke,
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) Witten
Ines Buscher
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) Witten
Sabine Kühnert
Evangelische Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Bochum


1 . Zielsetzung/Fragestellung
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Leuchtturmprojektes Demenz QUIKK (Buscher, Kühnert, & Panke Kochinke, 2010) wurde eine interdisziplinäre, einjährige Inhouse-Weiterbildung mit dem Schwerpunkt Demenz in drei Einrichtungen der stationären Altenhilfe durchgeführt und evaluiert. Ziel der Evaluation war es, zu erfassen, inwieweit diese Weiterbildung zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen von Menschen mit Demenz durch eine Kompetenzsteigerung der multiprofessionellen Teams beitragen konnte (Buscher et al., 2010)n

2. Materialien/Methoden
An der Weiterbildung nahmen pro Einrichtung jeweils 15 bis 22 Personen teil. Die drei Teilnehmergruppen setzen sich aus interessierten Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Angehörigen von Menschen mit Demenz aus den Einrichtungen zusammen. Die Mitarbeitenden gehörten unterschiedlichen Berufsgruppen (z.B. Pflege, Hauswirtschaft, Küche und Verwaltung) und Hierarchieebenen (z.B. Angestellte, Wohnbereichs-, Pflegedienst- und Heimleitungen) an. Die Evaluation orientierte sich generell an den Grundsätzen der qualitativen Evaluationsforschung (Flick, 2006). Vier methodisch unterschiedliche Zugriffsweisen - Gruppendiskussionen, Fragebogenerhebungen, Dokumentenanalysen und Interviews - wurden eingesetzt. Die Auswertungen der Datensätze erfolgten mit rekonstruktiven (Bohnsack, 2006, 2010; Bohnsack, Nentwig-Gesemann, & Nohl, 2007; Panke-Kochinke, 2004) und inhaltsanalytischen (Mayring, 2007) Verfahren sowie einer quantifizierenden statistischen kategorialen Analyse von Fragebogenerhebungen (Friedrichs, 1980).


3. Ergebnisse
Die Evaluation der Maßnahme zeigte bei den Teilnehmenden einen Entwicklungsprozess weg von einer individuellen Abwehr gegenüber herausfordernden Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz hin zu einer fallbezogenen Deeskalation. Zu Beginn der Weiterbildung ließen sich übereinstimmend Haltungs- und Handlungsmuster der Gegenübertragung und Schuldzuweisung nachweisen. Die Teilnehmenden fühlten sich insbesondere im Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen von Menchen mit Demenz hilflos und reagierten mit Abwehr und Angst (Buscher et al., 2010; Kühnert, Panke-Kochinke, Buscher, & Kampendonk, 2010). Zeitlich lokalisierbar etwa in der Hälfte der Weiterbildung erfassten die Teilnehmenden durch die Reflexion von konkreten Handlungssituationen im Rahmen von Fallbesprechungen zunehmend mehr, dass unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten dieser als problematisch erlebten Verhaltensweisen bestanden. Den Teilnehmenden wurden ihre impliziten Handlungsmuster bewusster und konnten verändert werden (Buscher et al., 2010; Kühnert et al., 2010)


4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
ADurch die Weiterbildung lässt sich die Versorgungsqualität von Menschen mit Demenz nachhaltig verbessern, indem die „Spirale der Gewalt“ durch veränderte Handlungsmuster durchbrochen werden kann und strukturelle Veränderungen den nachhaltigen Transfer neuer Umgangsformen sichern (Buscher et al., 2010; Kühnert et al., 2010 )r.

Literatur

Bohnsack, R. (2006). Qualitative Evaluation und Handlungspraxis: Grundlagen doku-mentarischer Evaluationsforschung. In U. Flick (Ed.), Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte - Methoden - Umsetzungen (pp. 135 - 154). Reinbek bei Hamburg.
Bohnsack, R. (2010). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen [u.a.]: Budrich.
Bohnsack, R., Nentwig-Gesemann, I., & Nohl, A.-M. (Eds.). (2007). Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. Grundlagen qualitativer Sozialforschung (Vol. 2., erw. u. aktualis. Aufl.). Wiesbaden.
Buscher, I., Kühnert, S., & Panke Kochinke, B. (2010). Leuchtturmprojekt Demenz. QUIKK- Qualitative Evaluation von Inhouse-Weiterbildungen zur Konzept- und Kompetenzentwicklung multiprofessioneller Teams und ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen in stationären, teilstationären und ambulanten Einrichtungen der Altenhilfe mit dem Schwerpunkt demenzieller Erkrankungen. Abschlussbericht, eingereicht beim Bundesministerium für Gesundheit am 31. Juli 2010. Düsseldorf
Flick, U. (2006). Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte - Methoden - Umsetzungen. Reinbek bei Hamburg.
Friedrichs, J. (1980). Methoden empirischer Sozialforschung. Opladen.
Kühnert, S., Panke-Kochinke, B., Buscher, I., & Kampendonk, D. (2010 ). Von der Deeskaltion zur nachhaltigen Strukturveränderung. Posterpräsentation der Abschlussveranstaltung Leuchtturmprojekt Demenz am 21.09.2010 in Berlin, http://www.dlr.de/pt/Portaldata/45/Resources/dokumente/gesundheitsforschung/Leuchtturmprojekt_QUIKK.pdf vom 05.11.2010).
Mayring, P. (2007). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim und Basel.
Panke-Kochinke, B. (2004). Die rekonstruktive hermeneutische Textanalyse. Pflege und Gesellschaft 9(2), 59 - 63.


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