Biomarker und kognitive Plastizität
Ingo Uttner,
Neurologische Klinik der Universität Ulm, Bereich RKU, Ulm
Niklas Schurig, Neurologische Klinik der Universität Ulm, Ulm
Christine A. F. von Arnim,
Neurologische Klinik der Universität Ulm, Ulm:
Christian Lange-Asschenfeldt,
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität
Düsseldorf, Abteilung Gerontopsychiatrie
Matthias W. Riepe, Abteilung Gerontopsychiatrie, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität
Ulm im Bezirkskrankenhaus Günzburg
Hayrettin
Tumani, Neurologische Klinik der Universität Ulm, Ulm
1 . Zielsetzung/Fragestellung
Beta-Amyloid 1-42 (Abeta) und Gesamt-Tau-Protein (t-Tau) gelten als sensitive
und spezifische Neurodegenerationsmarker für die (Früh-)Diagnose
der Alzheimer-Demenz (AD), deren Bestimmung aus dem Liquor auch von der
aktuellen S3-Leitlinie "Demenzen" der Fachgesellschaften DGPPN
und DGN (11/2009) empfohlen wird. Unter pathophysiologischen Gesichtspunkten
scheint t-Tau primär das Vorliegen eines neurodegenerativen Prozesses
anzuzeigen, während Abeta vor allem mit dem Ausmaß synaptischer
Zerstörung in Verbindung gebracht und dementsprechend als Indikator
(noch verbliebener) neuronaler Plastizität betrachtet wird. Um diese
Interpretation zu überprüfen, ermittelten wir bei 15 Patienten
mit V.a. AD (Altersmedian: 72 Jahre; MMSE-Gesamtscore, Median: 26.5) und
14 Kontrollpersonen (Altersmedian: 65 Jahre; MMSE: 30.0) mit Hilfe eines
neuartigen dynamischen Testverfahrens die kognitive Reservekapazität
und setzten diese zu Abeta und t-Tau in Beziehung..
2. Materialien/Methoden
Appliziert wurde ein speziell auf die Enkodierungsproblematik Älterer
abgestimmter Gedächtnistest, der sich aus Prä- und Posttest und dazwischengeschalteter
Orientierungsaufgabe zusammensetzte. Als Maß der kognitiven Reservekapazität
bzw. Plastizität wurde die Anzahl an Wiedererkennungsfehlern nach Strategievorgabe
(Orientierungsaufgabe) und im Posttest herangezogen. Die Konzentrationen von
Abeta und t-Tau im Liquor wurden mittels ELISA (Innogenetics; Zwijndrecht,
Belgien) bestimmt, als auffällig galten Werte von >300ng/L (t-Tau)
und < 550 ng/L (Abeta).
3. Ergebnisse
Die statistische Analyse mittels nonparametrischer Verfahren (?=5 %) zeigte
signifikante Gruppenunterschiede sowohl in den Abeta- als auch den Gesamt-Tau-Protein-Konzentrationen
(p=0.004 bzw. p=0.003; U-Test) mit mittleren Werten von Abeta=532 ng/L
/ t-Tau=399 ng/L in der AD-Gruppe und Abeta=993 ng/L / t-Tau=189 ng/L in
der Kontrollgruppe. Eine über die Gesamtgruppe gerechnete Korrelation
nach Spearman-Rho zeigte einen signifikanten Zusammenhang zwischen Abeta
und den Fehlerraten in Orientierungsaufgabe (p=0.047) und Posttest (p=0.012),
nicht aber zwischen Abeta und der Prätest-Leistung (p=0.091). T-Tau
korrelierte mit keiner der drei Testeinheiten (p-range=0.406-0.900).
4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Unsere Ergebnisse unterstützen die Interpretation von Beta-Amyloid 1-42
als eines Markers für synaptische Plastizität. Der ausschließlich
in Bezug auf plastizitätsfokussierte Testbedingungen sichtbare Zusammenhang
von Abeta und kognitiver Leistung verdeutlicht zudem die Überlegenheit
dynamischer Leistungserfassung gegenüber rein status-bezogenen Messungen
traditioneller Provenienz, die lediglich eine Einschätzung der sogenannten „baseline
performance“ erlauben.