Kurz und einfach ist nicht immer besser: Grenzen kognitiver Demenzscreenings
Ingo Uttner,
Neurologische Klinik der Universität Ulm, Bereich RKU, Ulm
Simone Schulz,
Neurologische Klinik der Universität Ulm, Ulm
Christine A. F. von Arnim,
Neurologische Klinik der Universität Ulm, Ulm
1 . Zielsetzung/Fragestellung
Kognitive Demenzscreenings erfreuen sich aufgrund ihrer Kürze und Unkompliziertheit
in Durchführbarkeit und Auswertung großer Beliebtheit. Ihre Eignung
für die Erstdiagnostik von Demenzen ist jedoch umstritten, zumal Sensitivität
und Spezifität dieser Verfahren häufig unbefriedigend sind und die
im klinischen Alltag vorherrschende Individualdiagnostik in ganz besonderer
Weise beeinflusst ist von potentiellen, mit Alter, Bildung, Testvertrautheit
oder sensorischen Einschränkungen assoziierten Fehlerkomponenten. Ziel
dieser Studie war es, zu überprüfen, inwieweit verschiedene, für
das Demenzscreening empfohlene Kurzverfahren in der Lage sind, Personen mit
bekannter AD im weiteren Erkrankungsverlauf korrekt zu klassifizieren.
2. Materialien/Methoden
Hierzu wurden insgesamt 25 Personen, 8 Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz
[AD; Altersmedian / Interquartilsbereich: 70.5 / 15.25 Jahre; Mini-Mental-State-Examination
(MMSE)-Score: 23.5] sowie 17 Kontrollpersonen (Altersmedian / Interquartilsbereich:
63 / 14.5 Jahre; MMSE-Score: 29) zwei Jahre nach Diagnosestellung nochmals
neuropsychologisch untersucht. Zum Einsatz kamen neben der MMSE der Untertest “Orientierung” des
kognitiven Teils der Alzheimer’s Disease Assessment Scale (ADAScog),
der Uhrentest (CDT), eine Kurzform des Boston Naming Tests (BNT) und ein
Wortflüssigkeitstest, zudem als Referenztests der gut validierte Münchner
Verbale Gedächtnistest (MVGT) sowie ein neuartiges, plastizitätsorientiertes
Testing-the-Limits-Verfahren (TtL, Uttner et al., J Neurol. 2010;257:1718-1726).
Die anschließende empirische Untergruppenbildung erfolgte mit Hilfe
einer hierarchische Clusteranalyse nach WARD, die getrennt für jedes
Testverfahren über jeweils alle Studienteilnehmer gerechnet wurde.
Die so ermittelten Zuordnungen wurden dann mit den tatsächlichen Verteilungsverhältnissen
verglichen.
3. Ergebnisse
Lediglich die MVGT-Abrufleistung (8 zutreffend identifizierte AD Patienten
/ 1 falsch positiv klassifizierter AD-Patient) und die beiden TtL-Posttests
(jeweils 7 korrekt identifizierte AD-Patienten; 1 falsch positiv klassifizierter
AD-Patient) trennten zuverlässig zwischen AD-Patienten and Kontrollen.
Bei den Screeningtests ergaben sich folgende Zuordnungsverhältnisse:
5:17 (ADAScog), 6:4 (Wortflüssigkeit), 5:2 (CDT), und 5:8 (BNT).
4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung
Die Ergebnisse bestätigen die Vorbehalte gegen eine sich primär auf
Kurzscreenings stützende kognitive Demenzdiagnostik. Insbesondere verdeutlichen
sie, dass derartige Verfahren nicht nur mit einem hohen Risiko diagnostischer
Fehlscheidungen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose vergesellschaftet, sondern offensichtlich
sogar noch nicht einmal in der Lage sind, Personen mit bekannter AD zumindest
im weiteren Erkrankungsverlauf korrekt zu klassifizieren. Im Unterschied dazu
scheinen dynamische Testverfahren, wie das hier vorgestellte TtL-Paradigma,
sehr suffizient zwischen AD- und Non-AD-Patienten zu trennen, was sie als diagnostische
Alternative zu herkömmlichen, statusorientierten Testverfahren empfiehlt.