Es herrscht Einigkeit, dass im
Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Demenz zunächst nach
möglichen Ursachen gesucht werden muss (z. B. Schmerzen oder Medikamentennebenwirkungen,
aber auch psychosoziale Faktoren wie Überforderung in der Kommunikation).
Vor der psychopharmakologischen Behandlung sind alle nichtmedikamentösen
Interventionsmöglichkeiten auszuschöpfen. Gleichwohl kann
häufig nicht auf Medikamente verzichtet werden. Hierbei spielen
Antipsychotika seit langem eine wichtige Rolle.
Tatsächlich werden Antipsychotika in Deutschland am häufigsten
an Menschen über 75 Jahre verordnet, der absolute Gipfel liegt
bei den über 90-Jährigen mit 23 DDD pro 1.000 Versicherte.
Der Verordnungsanteil von Antipsychotika der zweiten Generation (2GAP)
wächst dabei kontinuierlich, sie haben die klassischen hochpotenten
Antipsychotika längst überholt.
Deshalb war es umso irritierender, dass das unterstellte geringere Risiko
der 2GAP für schwerwiegende Nebenwirkungen seit November 2002 durch
Berichte in Frage gestellt wurde, die vor einer erhöhten Gefahr
zerebrovaskulärer Ereignisse unter Risperidon warnten. Auf die
Rote-Hand-Briefen der Hersteller von Risperidon und Olanzapin in Deutschland
sowie behördliche Warnungen in Großbritannien im Jahr 2004
folgte die FDA-Warnung von 2005 vor dem Einsatz von 2GAP bei Demenz.
In der Folgezeit zeigte sich jedoch in verschiedenen Studien, dass Antipsychotika
der ersten Generation (1GAP) offenbar mit einem mindestens vergleichbar
hohen Risiko verbunden sind. Folgerichtig sprach die FDA im Juni 2008
eine Warnung vor dem Einsatz aller Antipsychotika zur Behandlung von
herausforderndem Verhalten bei Demenz aus; die europäische Zulassungsbehörde
EMEA folgte im November 2008 mit einer Warnung gleichen Inhalts.
Im Januar 2009 wird die Diskussion weiter angefacht durch die Ergebnisse
aus der britischen DART-Studie zur langfristigen Mortalität unter
Antipsychotika bei Demenz sowie eine große amerikanische Studie
zum plötzlichen Herztod und schließlich einen außergerichtlichen
Vergleich in einem Streit wegen des Vorwurfs an einen Arzneimittelhersteller,
Ärzte durch gezieltes Marketing zu einem unangemessenen Einsatz
des Medikamentes bei Patienten mit besonderem Nebenwirkungsrisiko, nämlich
Kindern und Demenzkranken, verleitet zu haben.
Das Symposium versucht, eine
Bestandsaufnahme dieser Diskussion zu geben, die wichtigen Ergebnisse
vorzustellen und dabei praxisbezogen Risiken gegen Wirksamkeit abzuwägen.