Psychische Störungen in alternden Migranten: Prävalenz von Depression bei Migranten erster Generation in Europa und Deutschland
Marion Christina Aichberger,
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité - Universitätsmedizin
Berlin
Aichberger MC, Schouler-Ocak M,
Busch M, Heinz A, Rapp MA
Hintergrund:
Die Zahl der älteren
Menschen mit Migrationshintergrund wächst und stellt neue Anforderungen
an die europäischen Gesundheitssysteme. Insbesondere sind die Gesundheitsrisiken
von der nun alternden Migrantenpopulation von Bedeutung, da diese häufig
durch das Gesundheitssystem schwer erreichbar sind. So zeigen Untersuchungen,
dass ältere Migranten ein erhöhtes Risiko für psychiatrische
Erkrankungen, insbesondere Depression, aufweisen. Zu den Problemen und Schwierigkeiten
des Migrationprozesses treten mit zunehmenden Lebensjahren auch die spezifische
Probleme des Alterns, wodurch alternde Migranten zusätzlichen Belastungen
und damit folglich oft verbundenen psychische Beschwerden aussetzt sind.
Ziel: Untersuchung der Prävalenzraten für Depression bei älteren
Migranten (> 50) im Vergleich zu älteren Menschen ohne Migrationshintergrund
aus Daten einer länderübergreifenden Querschnittsstudie in 11 Ländern
Europas (SHARE).
Methodik: Die untersuchten Daten stammen aus dem ‚Survey of Health, Ageing
and Retirement in Europe (SHARE)’, einer länderübergreifenden
Studie zu Gesundheit, sozioökonomischem Status und Familiennetzwerken von
Menschen > 50 (http://www.share-project.org/). Die Analyse umfasst 11 europäische
Länder – Dänemark, Schweden, Österreich, Frankreich, Deutschland,
Schweiz, Belgien, Niederlande, Spanien, Italien und Griechenland (N=27 388).
Das Vorliegen einer Depression wurde mit der EURO-D Skala geprüft und die
Prävalenzraten mit Konfidenzintervallen bei Migranten und Nicht-Migranten,
sowie Odds Ratios (OR) mit Konfidenzintervallen bestimmt. Weiterhin wurden die
Effekte von Migration für das deutsche Sample getrennt berechnet.
Ergebnisse: Es wurde bei Migranten > 50 eine höhere Prävalenz von
Depression als bei > 50-jährigen ohne Migrationshintergrund gefunden.
Die höchsten Prävalenzen insgesamt zeigten sich in Südeuropa,
wobei die OR für Depression bei Migranten in den nordeuropäischen
Ländern am höchsten war. Die unterschiedlichen Prävalenzen bei
Migranten und Nicht-Migranten konnten nicht durch andere Variablen erklärt
werden. Für die in Deutschland lebenden Migranten (N= 549) fand sich eine
OR von 1,68 (95% CI 1,33-2,10), die Prävalenzrate lag bei 14,2%.
Diskussion: Unseren Ergebnissen zufolge zeigen sich bei älteren Migranten
höhere Prävalenzen von Depression als bei älteren Menschen ohne
Migrationshintergrund, wobei die geographische Varianz groß ist.