Hirntoddiagnostik: Rationale und Hintergründe?

Stephan A. Brandt,
Neurologie, Charité, Berlin


Die Auseinandersetzung des Neurologen mit dem Thema Tod ist in den vergangenen 50 Jahren insbesondere von der Hirntod-Debatte geprägt. Diese betrifft nicht nur die Definition des Todes, sondern reflektiert auch unser heutiges Menschenbild. Sie ist durch die Verflechtung medizinischer, ethischer, religiöser und philosophischer Betrachtungsweisen gekennzeichnet. Die 1968 von einer Kommission der Harvard Medical School aus Ärzten und Vertretern von Geisteswissenschaften zusammengestellten diagnostischen Kriterien waren ein wichtiger Bezugspunkt für weitere Arbeiten ärztlicher Gremien sowie juristische und ethische Stellungnahmen [1]. Schon vorher hatte die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie die diagnostischen Anforderungen und die Bedeutung des Hirntods klargestellt. In Deutschland gelten die „Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes“ [2], die in ihrer dritten Fortschreibung vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer 1997 mit Ergänzungen gemäß dem Transplantationsgesetz herausgegeben wurden und als Leitlinien ärztlichen Handelns verbindlich sind. Der Begriff Hirntod beschreibt hier den Zustand des irreversiblen Erloschenseins der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bei einer durch kontrollierte Beatmung künstlich noch aufrechterhaltenen Herz-Kreislauffunktion. Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt. Die mit der Hirntodfeststellung betrauten Ärzte haben hier die Aufgabe, die Glaubhaftigkeit ärztlichen Handelns transparent und unabhängig von Fragen später vielleicht möglicher Organübertragungen zu vertreten. Der Hirntod und seine Bedeutung als sicheres Todeszeichen verdeutlichen somit beispielhaft die Aufgabe des Arztes und die Begrenzung seiner Kompetenz: Der Tod ist als biologisches Lebensende des Menschen Gegenstand der naturwissenschaftlichen Medizin.

1. Ad Hoc Committee of the Harvard Medical School: A definition of irreversible coma. Report of the Ad Hoc Committee of the Harvard Medical School to Examine the Definition of Brain Death. JAMA 205 (1968):337–340
2. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer: Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes, Dritte Fortschreibung 1997 mit Ergänzungen gemäß Transplantationsgesetz (TPG). Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 30

 

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