Suizidalität im Alter in der internistischen Klinik
Uwe Sperling,
IV. Medizinische Universitätsklinik mit Schwerpunkt Geriatrie, Universitätsmedizin
Mannheim
Bei einem nennenswerten
Teil alter Menschen erfährt der Lebenswille, wie mehrere repräsentative
Studien belegt haben, Beeinträchtigungen. Wie häufig und in welchem
Grad kommen Todeswünsche in der internistischen Klinik vor? Was sind
Charakteristika Betroffener und nicht Betroffener? Wie unterscheiden sich
unterschiedliche Grade
der Suizidalität in Bezug auf ihren jeweiligen Kontext, in dem sie auftreten?
Wie stabil oder veränderlich sind suizidale Äußerungen und
welche Zusammenhänge spielen dabei eine Rolle?
Innerhalb eines Zeitraums von 2 Monaten erfolgte ein Screening von 138 Patienten
einer geriatrischen Akutklinik. Anschließend wurden mit 37 Personen, von
denen 16 der Fall- und 21 der Kontrollgruppe zugewiesen wurden, jeweils zwei
eingehende Interviews im Abstand von einer Woche durchgeführt. Suizidalität
wurde in fünf Dimensionen von Gedanken, dass das Leben nicht lebenswert
ist, bis hin zum Suizidversuch operationalisiert. Soziodemografische, psychosoziale
und medizinische Variablen wurden erhoben.
36% der Befragten berichteten Todeswünsche, Suizidgedanken, -pläne
oder -versuche im vergangenen halben Jahr. Am häufigsten waren der Wunsch,
tot zu sein und das Erleben des Lebens als nicht lebenswert. In der Fallgruppe
spielten einerseits erhöhte Depressivität, Verdacht auf kognitive
Beeinträchtigungen und schlechtere Gesundheit eine Rolle, andererseits
das subjektive Erleben von geringer Hoffnung, weniger Zufriedenheit, stärkerer
Belastung und des Gefühls, anderen zu Last zu fallen. Die Fallgruppe berichtete
fast ausnahmslos, dass sie den Tod als befriedigenden Zustand ansieht. Die suizidalen
Äußerungen erwiesen sich bei der Hälfte der Befragten im Zeitraum
von einer Woche als stabil oder nahmen weiter zu, bei der anderen Hälfte
gingen sie zurück. Die Assoziation mit unterschiedlichen Kontextvariablen
ermöglicht es, Hinweise für das bessere Erkennen einer suizidalen
Problematik und differenzierte Maßnahmen der Gesundheitsförderung
abzuleiten.