Antidepressive Therapie bei Multimorbidität: Spannungsfeld zwischen Polypharmazie, Kosten- und Leidensdruck

Daniel Kopf,
Bethanien-Krankenhaus, Geriatrisches Zentrum am Klinikum der Universität Heidelberg


1. Zielsetzung/Fragestellung: Depression tritt im Alter besonders häufig bei Patienten mit schweren oder multiplen internistischen Erkrankungen auf, z.B. nach Schlaganfall, nach einem kardiovaskulären Ereignis oder bei Diabetikern. Die Behandlung der somatischen Erkrankungen steht meist im Vordergrund, die Behandlung der Depression unterbleibt vielfach aus verschiedenen Gründen: die Diagnose wird nicht gestellt; die Bedeutung der Depression für Lebensqualität, Morbidität und Mortalität wird unterschätzt; es bestehen Bedenken über die Sicherheit von Antidepressiva und Interaktionen bei multimorbiden Patienten; nicht-medikamentöse Behandlungsstrategien sind nicht ausreichend verfügbar.

2. Materialien/Methoden: Anhand von Daten aus der Literatur und eigenen klinischen Studien wird die Sicherheit von Antidepressiva bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse bei internistisch kranken Patienten und bezüglich Lipid- und Glukosestoffwechsel untersucht. Schließlich werden erste Erfahrungen zur Integration von psychopharmakologischen, psycho- und soziotherapeutischen Ansätzen in einer geriatrischen Klinik vorgestellt.

3. Ergebnisse: Daten aus randomisierten kontrollierten Studien sowohl an Patienten nach Schlaganfall als auch nach Myokardinfarkt zeigen, dass die Therapie mit einem SSRI auch bei multimorbiden Patienten wirksam und sicher ist – es besteht ein Trend zu geringerer Mortalität bei Behandlung. Wichtige Kenngrößen des Lipidstoffwechsels, insbesondere die LDL/HDL-Cholesterol-Ratio sowie die Insulinresistenz besserten sich statistisch signifikant in einer eigenen, prospektiven Studie bei Patienten, die unter einer antidepressiven Therapie eine Remission einer mittelschweren depressiven Episode erreichten, nicht jedoch bei Non-Respondern. Die Behandlung nicht akut suizidaler, depressiver Patienten mit verhaltenstherapeutisch orientierter Gruppentherapie und soziotherapeutischen Verfahren lässt sich bei Patienten mit internistischer Hauptdiagnose – mit Einschränkungen – im Setting einer geriatrischen Klinik durchführen.

4. Zusammenfassung/Schlussfolgerung: Multimorbide Patienten profitieren bei hoher Therapiesicherheit von medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieansätzen der Depression.

 

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